Nach Parlamentswahlen: zersplitterte Kräfteverhältnisse
Im Superwahljahr 2024 geht es drunter und drüber in Rumänien. Nach den Parlamentswahlen vom 1. Dezember zeichnet sich ein ziemlich verworrenes Bild ab, die neuen Kräfteverhältnisse im Parlament versprechen kaum Stabilität.
Ştefan Stoica und Sorin Georgescu, 09.12.2024, 14:53
Am 6. Dezember hatte das Verfassungsgericht die erste Runde der Präsidentschaftswahlen für ungültig erklärt. In der Begründung hieß es, dass das Wahlverfahren verzerrt gewesen sei. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts wurde die freie Wahl durch Fehlinformationen im Rahmen einer Kampagne beeinträchtigt, in der der unabhängige Kandidat Călin Georgescu, der Gewinner des ersten Wahlgangs, unter Umgehung der nationalen Wahlgesetze aggressiv beworben wurde. Dabei seien die Algorithmen von Social-Media-Plattformen missbraucht und Werbespots nicht eindeutig als Wahlkampfinhalte gekennzeichnet worden.
Der Sieg eines pro-russischen Extremisten in der ersten Runde hat der gesamten sogenannten souveränistischen Bewegung Auftrieb gegeben. Souveränismus ist ein Sammelbegriff für ultranationalistische Parteien und Bewegungen, die sich durch einen abstrusen Mix aus fremdenfeindlichen und antisemitischen, populistischen und verschwörungstheoretischen Botschaften auszeichnen. Gleich drei Parteien aus diesem Spektrum zogen nach den Wahlen vom 1. Dezember ins Parlament ein: die Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR), SOS Rumänien und die Partei der Jungen Menschen (POT). Dabei erzielte insbesondere die AUR mit rund jeweils 18 % ein sehr gutes Ergebnis für beide Kammern des Parlaments.
Eine ideologisch unklar positionierte Splitterpartei namens DREPT hatte gleich nach dem Urnengang auch die Fairness der Parlamentswahlen in Frage gestellt. In der Beschwerde der Partei hieß es, dass der Wahlkampf für die Parlamentswahlen durch ausländische Einflussnahme, illegale Finanzierungen, neofaschistische Propaganda und kriminelle Vereinigungen ebenso verzerrt worden sei wie der mittlerweile annullierte Urnengang für die Präsidentschaftswahl.
Der Oberste Gerichtshof lehnte jedoch den Antrag auf Annullierung der Parlamentswahlen ab, so dass Rumänien am 21. Dezember eine neue Legislative haben wird. Die Sozialdemokratische Partei (PSD) wird mit 120 Mandaten die meisten Senatoren und Abgeordneten im neuen Parlament haben, gefolgt von der AUR mit 93 und der National-Liberalen Partei (PNL) mit 71 Mandaten. An vierter Stelle steht in der nächsten Legislaturperiode die Union Rettet Rumänien (USR) mit 59 Volksvertretern. Die Partei SOS Rumänien mit 40 Abgeordneten, der Ugarnverband (UDMR) und die Partei der Jungen Menschen (POT) mit jeweils 31 Abgeordneten vervollständigen die Liste der sieben Parteien, die ihre Vertreter ins Parlament entsandt haben. In der Abgeordnetenkammer verfügt die Fraktion der nationalen Minderheiten über 19 Mandate. Die Rumänen in der Diaspora werden durch zwei Senatoren und vier Abgeordnete im Parlament vertreten.
Doch die schwierigste Aufgabe steht erst bevor: In dieser zersplitterten Legislative muss – idealerweise bis zum Ende dieses Jahres – eine stabile Mehrheit gefunden werden, um eine Regierung bilden zu können. Es zeichnet sich zwangsläufig ein Koalitionskabinett ab, dessen dringendste Aufgabe sein wird, den Zeitplan für die Präsidentschaftswahlen festzulegen. Die pro-europäischen Kräfte (PSD, PNL, USR und UDMR) hatten sich zwar darauf geeinigt, geschlossen gegen den Extremismus vorzugehen, doch nach der Annullierung der Präsidentschaftswahlen ist nichts mehr sicher. Vorerst steht nur eines fest: Bis zur Vereidigung des neuen Präsidenten im nächsten Jahr wird der amtierende Klaus Johannis Staatschef bleiben.