Nach Misstrauensvotum im Parlament: Präsident Iohannis lädt Parteien zu Beratungen ein
Erstmals in der Geschichte Rumäniens hat die Regierungspartei ihren eigenen Premier abgewählt. Nach dem Erfolg des Misstrauensantrags gegen den PSD-Premier Grindeanu, will der Staatschef mit den Parlamentsparteien über eine neue Regierungsbildung beraten
Corina Cristea, 22.06.2017, 15:48
Der Misstrauensantrag gegen den sozialdemokratischen Premier Sorin Grindeanu erhielt am Mittwoch im rumänischen Parlament 241 Ja-Stimmen. Lediglich zehn Abgeordnete waren dagegen. Im Regierungsteam stimmten nur der Generalsekräter des Kabinetts Grindeanu und ehemaliger Premierminister Victor Ponta und der Kommunikationsminister Augustin Jianu mit Nein. An der Misstrauensabstimmung beteiligten sich nur die Regierungsparteien, die Opposition weigerte sich am internen Kampf der sozial-demokratischen Partei teilzunehmen, während die Gruppe nationaler Minderheiten, die jedes Mal dieselbe Stellung wie die Regierungsparteien einnimmt, ihren Mitgliedern diesmal freie Hand bei der Abstimmung ließ.
Nach 20 Jahren Mitgliedschaft in der PSD und knapp einem halben Jahr im Amt des Premiers, wurde Sorin Grindeanu aus der Partei ausgeschlossen. Der Parteichef Liviu Dragnea warf ihm vor, er habe das Regierungsprogramm nicht umgesetzt und die Wahlversprechen nicht gehalten, die Dezember 2016 die Sozial-Demokraten an die Macht gebracht hatten. Laut Dragnea, sei der Stand der Umsetzung entsprechender Wirtschaftsreformen gründlich überprüft worden. Das unbefriedigende Ergebnis führte dazu, dass dem Premier die politische Unterstützung entzogen wurde. Sorin Grindeanu wies die Vorwürfe zurück und lehnte den Rücktritt ab, infolgedessen brachte seine eigene Partei einen Misstrauensantrag gegen ihn ein.
Nachdem er das Misstrauensvotum des Parlaments erhielt, rief der abgewählte Premier zur Einigkeit in der Partei auf und versicherte, dass er das Amt interimistisch bekleiden wird, bis die Legislative einem neuen Kabinett grünes Licht gibt: Was in diesen Momenten zählt, ist, dass wir die Krise überwinden und alles tun, damit Rumänien bei ausländischen Investoren und den Regierungen aller Länder nach wie vor als stabiles und vorhersehbares Land gilt. Nach der Misstrauensabstimmung im Parlament sei die sozial-demokratische Partei nicht zerstritten, sondern hingegen stärker als zuvor, sagte der PSD-Chef und Initiator des Misstrauensantrags, Liviu Dragnea.
Bei den bevorstehenden Beratungen mit dem Staatschef Klaus Iohannis über eine neue Regierungsbildung, werde Dragnea einen Kandidaten vorschlagen, der von seiner Fähigkeit überzeugt, die Ziele des Regierungsprogramms zu erfüllen: Rumänien ist zur Normalität zurückgekehrt. PSD zusammen mit ihren Koalitionspartnern, den Liberalen von ALDE, haben die Verantwortung für ihr politisches Handeln übernommen, denn wir möchten kein Risiko eingehen, das ein ambitioniertes Regierungsprogramm infrage stellen könnte. Laut dem Vorsitzenden des Juniopartners der PSD, der Allianz der Liberalen und Demokraten ALDE, Călin Popescu Tăriceanu, sei der Erfolg des Misstrauensantrags von Mittwoch der klare Beweis dafür, dass es im rumänischen Parlament eine funktionierende Mehrheit gebe.
Die wichtigste Partei aus dem rechten Oppositionslager, PNL, hat sich an der Abstimmung nicht beteiligt. Laut dem Chef der Liberalen, Ludovic Orban, könnten die Vorwürfe der Koalitionsregierung PSD-ALDE an Grindeanu der Koalition selber zur Last gelegt werden. Die sozial-liberale Regierungskoalition sei auf keinen Fall eine echte europäische Regierung, so Ludovic Orban: Am Montag soll unser nationaler Vorstand mit den Parlamentsgruppen zusammentreffen, um die Strategie der National-Liberalen Partei festzulegen. Das Land wird zur Normalität zurückkehren, erst wenn die die Sozial-Demokraten die Macht verlieren. Dieselbe Ansicht vertritt auch der Vorsitzende der Volkspartei PMP, Traian Băsescu. Der ehemalige Staatschef sagte: Die sozial-demokratische Partei und ihr Koalitionspartner ALDE haben gerade den Beweis geliefert, dass sie regierungsunfähig sind. Der Weg, den die parlamentarische Mehrheit von nun an einschlagen soll ist die Opposition.
Weder die Mitglieder der Demokratischen Union der Ungarn in Rumänien UDMR noch der sich in der Oppositon befindenden Union Rettet Rumänien USR haben an der Misstrauensabstimmung teilgenommen. Der USR-Abgerordnete Dan Barna sagte, dasselbe Engagement, das die Regierungsparteien jetzt bewiesen, hätten sie lieber für einen guten Zweck gezeigt.