Nach Ankündigung umfassender Justiz-Reform: Justizminister im Kreuzfeuer der Kritik
Nach dem EU-Beitritt 2007 hat Rumänien erhebliche Fortschritte in seinem Justizwesen verzeichnet. Auch in Brüssel blieben die Erfolge nicht unbemerkt. Jetzt wirft man der aktuellen Regierung vor, einen Rückschritt machen zu wollen.
Corina Cristea, 24.08.2017, 15:53
Am Mittwoch hatte Justizminister Tudorel Toader einen Entwurf über die tiefgründige Reform des rumänischen Justizwesens veröffentlicht. Die Reaktionen unterschiedlichster Art ließen nicht auf sich warten, Präsident Klaus Iohannis sprach von einem Übergriff auf den Rechtsstaat. Die Initiative erfolgt sechs Monate nach der versuchten Lockerung der Antikorruptions-Gesetzgebung. Jetzt will die mitte-links-orientierte Regierungskoalition einschließlich die Zuständigkeiten der Nationalen Antikorruptionsbehörde (DNA) einschränken – die Sonderstaatsanwaltschaft würde in Zukunft zum Beispiel keine Ermittlungen gegen Richter mehr starten können.
Das Projekt sieht überhaupt zahlreiche Neuigkeiten vor, darunter die Art und Weise, in der die Oberstaatsanwälte ernannt werden oder die Gründung einer Sondereinheit zur Verfolgung der von Richtern und Staatsanwälten begangenen Straftaten. Sollte dieses Maßnahmenpaket von der Regierung gebilligt und vom Parlament verabschiedet werden, würden die Anstrengungen der letzten zehn Jahre mit dem Schwamm weggewischt und das Justizsystem in eine Zeit züruckkehren, in der es der Politik unterworfen war, reagierte unverzüglich der Staatschef.
Laut geltenden Gesetzen ist es der Präsident, der die Oberstaatsanwälte auf Vorschlag des Justizministers und nach nicht bindender Stellungnahme des Obersten Richterrates ernennt. Der Richterrat ist das Selbstverwaltungsorgan der Justiz, das für die Unabhängigkeit des Systems garantieren soll.
Tudorel Toader schlägt außerdem vor, dass der politisch ernannte Justizminister die Kontrolle über die Einheit zur Justizaufsicht des Richterrates übernimmt. Analysten und Justizbehörden sprechen hier von einer Einmischung in die Justiztätigkeit. Gleichzeitig bezeichnete die Generalstaatsanwaltschaft die Vorschläge als Alarmzeichen, mit der Begründung, dass die Staatsanwälte selbst nicht zu den Beratungen hinzugezogen wurden.
Auch aus dem politischen Umfeld gab es heftige Reaktionen nach der angekündigten Justizreform. Die größte Oppositionspartei, die PNL, sprach von verfassungswidrigen Maßnahmen des Justizministers Toader. Die mitregierenden PSD und ALDE würden sich die Justiz politisch unterwerfen, entgegen dem Willen der Bevölkerung, die ihren Standpunkt Anfang des Jahres auf offener Straße ausdrückte, aber auch entgegen den internationalen Verpflichtungen Rumäniens. Auch die Union Rettet Rumänien verurteilte entschlossen die Gesetzentwürfe zur Abänderung der Regeln im Justizsystem. Gegen Justizminister Toader wollte die Union einen einfachen Misstrauensantrag stellen.
Aus Brüssel lobte die ehemalige Justizministerin und Europaabgeordnete von der ALDE, Norica Nicolai, den Entwurf, den sie als guten Anfang beschrieb. Sie hoffe, die Rechtsakte könne zügig verabschiedet werden, so dass es 2018 zu deren Umsetzung kommt. Das würde die Aufhebung des sogenannten Kooperations und Überprüfungsmechanismus der Kommission ermöglichen, behauptete Nicolai. Eine weitere Ex-Justizministerin aus dem bürgerlichen Lager, Monica Macovei, glaubt im Gegenzug, dass der Entwurf des Justizministers Toader fatale Änderungen für die Justiz und das Land vorschlägt.