Moldaurepublik: Weiterhin Proteste und Spannungen in Chişinău
Im Stadtzentrum von Chişinău stehen sich prowestliche Bürger und Anhänger einer moskauhörigen pro-russischen Politik gegenüber.
Bogdan Matei, 05.10.2015, 17:05
Sowohl die Wahlen als auch die soziologischen Erhebungen in der Republik Moldau haben seit langer Zeit verdeutlicht, dass die moldauische Bevölkerung gespalten ist: Antikommunistische prowestliche Bürger und Anhänger einer moskautreuen pro-russischen Politik stehen sich gegenüber. Die prowestliche Regierungskoalition, gebildet aus den Liberaldemokraten, den Demokraten und den Liberalen, kam vor sechs Jahren an die Macht, als Antwort auf die Unzufriedenheit der Bevölkerung gegenüber der Korruption der kommunistischen Regierung im Zeitraum 2001–2009.
Die Priorität der amtierenden Regierung ist die europäische Integration. Die Moldaurepublik hat im vergangenen Jahr das Assoziierungsabkommen und das Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen. Das Land will 2020 der EU beitreten. Hochrangige Politiker und Regierungsmitglieder wurden aber in Korruptionsfälle verwickelt. Das spurlose Verschwinden von rund einer Milliarde Dollar aus dem moldauischen Bankensystem stellte den Höhepunkt der Skandale und Affären dar. Die Summe entspricht 15% des BIP der Republik.
Die proeuropäische Bürgerplattform Würde und Wahrheit organsiert seit einem Monat Protestaktionen in der Hauptstadt Chişinău. Tausende Demonstranten fordern den Rücktritt der Regierung und strafrechtliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen für die allgegenwärtige Korruption und für die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes. Ein Teil der Demonstranten bezeichnet die Moldaurepublik als gescheiterten Staat und fördert die Idee der Wiedervereinigung mit dem benachbarten Rumänien als einzige Lösung für das Erreichen der europäischen Ziele.
Die sozialistische und populistische Opposition, die keinen Hehl daraus macht, dass sie auf Weisungen aus Moskau handelt, ist indessen erneut am Erstarken. Der sozialistische Politiker Igor Dodon, der Putins Gesellschaft liebt und sich gerne mit ihm ablichten lässt, und der populistische Bürgermeister der Stadt Bălţi, Renato Usatîi, dessen Wahlkampf von Russland finanziert wurde, haben linksgerichhtete Anti-Europäer dazu aufgestachelt, den Verkehr im Stadtzentrum von Chişinău zu blockieren und den Rücktritt des Staatschefs Nicolae Timofti zu fordern. Der ansonsten eher sanftmütige Präsident räumte zwar ein, dass die Unzufriedenheit der Bevölkerung gegenüber den staatlichen Institutionen und den hochrangigen Politikern sich in legitime Protestaktionen konkretisiere; jedoch warnte er auch davor, dass neosowjetische Kräfte“ die Proteste für ihre eigenen Zwecke missbrauchen und damit das Land von seinem europäischen Weg abbringen könnten.
Der rumänische Ministerpräsident Victor Ponta hatte vergangene Woche erklärt, ohne Unterstützung riskiere die Republik Moldau wieder unter die Herrschaft der prorussischen Kräfte zu gelangen. Bukarest wird der Nachbarrepublik Moldau ein Darlehen von 150 Millionen Euro gewähren.