Moldauischer Spitzenpolitiker Filat in Untersuchungshaft
Der frühere moldauische Premierminister, Vlad Filat, steht im Mittelpunkt einer Korruptionsaffaire, die die sowieso brüchige proeuropäische Regierungskoalition in Chişinău zu destabilisieren riskiert
România Internațional, 19.10.2015, 17:30
Die Vorwürfe der Antikorruptionsermittler gegen Filat lauten auf Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Mitwirkung an Bankbetrug. Ein Gericht in der moldauischen Hauptstadt Chişinău verhängte mittlerweile Untersuchungshaft über eine Dauer von 30 Tagen, doch Filats Anwälte wollen bei der zuständigen Berufungsinstanz gegen das Urteil klagen und falls nötig auch den EGMR in Straßburg anrufen. Filat wehrt sich — es sei eine politisch motivierte und von seinen Gegnern fabrizierte Anklage. Er legte aber immerhin sein Parteiamt als Chef der Liberaldemokratischen Partei nieder und übertrug es an den amtierenden Premierminister, Valeriu Streleţ. Der frühere Regierungschef leistete zudem Strafanzeige gegen den Geschäftsmann Ilan Shor, auf dessen Hinweise die Vorwürfe aufbauen. Shor, der im Moment auch Bürgermeister der Stadt Orhei ist, hatte am 12. Oktober ein ausführliches Geständnis über 12 Seiten abgeliefert, in dem er beichtet, Filat 250 Millonen Dollar für bestimmte Gegenleistungen gegeben zu haben. Drei Tage später wurde Vlad Filat auch tatsächlich festgenommen, nachdem das Parlament am gleichen Abend seine Immunität entzogen hatte. Der Antrag auf Imunitätsentzug kam von höchster Stelle — der Generalstaatsanwalt des Landes, Corneliu Gurin, hatte Ermittlungen gegen Filat in einem merkwürdigen Fall verlangt, der Medien, Politiker und die Justiz seit längerer Zeit beschäftigt: das spurlose Verschwinden von insgesamt einer Milliarde US-Dollar aus den Bilanzen mehrerer Banken, also rund 15% des Bruttoinlandsproduktes der Moldau. Die Zivilgesellschaft reagierte empört. Seit Anfang September dauern im Zentrum von Chişinău Proteste gegen die Regierung an. Sie sind von der Plattform “Würde und Wahrheit” getragen, einer Koalition proeuropäischer Vereine. Tausende Menschen verlangen, dass die als korrupt und für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich geltenden Spitzenpolitiker zurücktreten und zur Rechenschaft gezogen werden.
Staatspräsident Nicolae Timofti räumte ein, dass die Proteste von der Unzufriedenheit der Menschen getrieben werden — jedoch bestehe das Risiko, dass die Proteste von revanchistischen, neosowjetischen Kräften instrumentalisiert werden, die eine Abkehr der Moldau vom Kurs nach Europa bewirken wollen. Auch in Bukarest wird das Gefahrenpotenzial durchaus erkannt: Die Regierung in Chişinău müsse weiterhin stabil bleiben; die Mehrheitskoalition solle weiterhin bestehen und das Land auf eine proeuropäischen Weg halten, hieß es von Rumänien.