Massenkundgebungen gehen in Chişinău weiter
Die Proteste im Zentrum der moldauischen Hauptstadt Chişinău tendieren sich in eine Marathonkundgebung zu verwandeln und in andere Städte der Republik Moldau auszuweiten.
Bogdan Matei, 14.09.2015, 13:08
Die Proteste im Zentrum der moldauischen Hauptstadt Chişinău tendieren sich in eine Marathonkundgebung zu verwandeln und in andere Städte der Republik Moldau auszuweiten. Während die Regierung und die Protestierenden unflexibel bleiben, obwohl sie dieselben europäischen Werte teilen, scheint die prorussische Opposition der große Gewinner dieser Auseinandersetzung zu sein.
Gerichtet gegen eine Regierung, die sich für pro-europäisch erklärt hat, veranstaltet von der Zivilgesellschaft und angetrieben gerade durch die westlichen Werte, schreiben die Kundgebungen in Chişinău bereits ihre zweite Woche. Keiner kann voraussagen, wann diese ein Ende finden werden. Gerade die angesprochenen westlichen Werte soll die Regierung laut den Protestteilnehmern verraten haben. Am Sonntag sind die Anführer der zehntausenden Protestierenden, die sich auf dem Platz befinden, mit zwei der Ziele ihrer Protestaktionen zusammen gekommen, Ministerpräsident Valeriu Streleţ und Parlamentsvorsitzender Andrian Candu.
Laut den Radio-Rumänien-Korrespondenten, behielten die Parteien ihre Standpunkte, mit denen sie in die Gespräche eingestiegen sind. Der Premierminister erklärte, dass seine Regierung seit der Amtsübernahme vor sechs Wochen, Maßnahmen getroffen hat, die die brennenden Probleme lösen sollen, mit denen die Republik Moldau konfrontiert wird. Außer im Falle eines Misstrauensvotums des Palraments, werde die Regierung nicht zurücktreten, denn das würde die politische und wirtschaftliche Krise nur verschärfen — schlussfolgerte Streleţ. Zuvor hatte er behauptet, dass die Existenz des Staates selbst gefährdet sei und dass die Probleme, weswegen die Menschen auf die Straße gegangen sind — Korruption, Armut, Unzuverlässigkeit der Politiker — Konsequenzen einiger Verfahren sind, die sich Jahre hintereinander angesammelt haben.
Auch Präsident Nicolae Timofti wies einen Rücktritt zurück. Sein Abgang, so der Staatschef, würde zu einer neuen politischen Krise führen. Außerdem würde sich die Instabilität vor dem Hintergrund des Machtvakuums verstärken. Schuld an der entstandenen Situation tragen die schwachen Staatsinstitutionen“ — so Timofti noch. Er warf der Zentralbank, der Generalstaatsanwaltschaft und dem Antikorruptionszentrum Ineffektivität vor, nachdem eine Milliarde Dollar, rund 15% des BIP, unter mysteriösen Umständen aus dem Bankensystem der Republik verschwunden ist. Candu warnte, dass die vorgezogenen Wahlen, die die Protestteilnehmer fordern, bloß ein größeres Chaos verursachen würden. Er kündigte an, dass zu den Prioritäten des Parlaments für die Herbstperiode die Justizreform zählt und versprach, dass ein Staatsanwalt aus dem benachbarten Rumänien, der auch in der Antikorruptionsbehörde tätig war, nach Chişinău kommen wird, um das Nationale Antikorruptionszentrum und die Generalstaatsanwaltschaft zu unterstützen.
Die Anführer der Proteste bleiben aber unfelxibel. Wenn die Regierung uns hier in der Landeshauptstadt nicht hört, dann werden wir dafür sorgen, dass die Protestwelle die ganze Republik einschließt. Die führenden Politiker werden spüren, wie der Boden unter ihren Füßen brennt“ — drohte einer von ihnen, Valentin Dolganiuc, ehemaliger Abgeordneter im Parlament von Chişinău, der 1991 die Unabhängigkeit von Moskau verkündet hat. Genauso wie er, sind viele der Protestveranstalter öffentliche Persönlichkeiten mit einem makellosen Ruf.
Allerdings bedeutet das nicht, dass es kein Risiko zur Umleitung der Protestbewergung besteht. Der Experte im Ex-Sowjetraum und ehemaliger Präsidentschaftsberater in Bukarest, Vorsitzender des Zentrums zur Konfliktvorbeugung, Iulian Chifu, verweist auf den Beitritt der Sozialisten und Populisten aus der Opposition zu den Protesten. Diese werden aus Moskau ferngesteuert und sind die ersten, die daran interessiert sind, die Legitimität einer pro-europäischen Regierung in Frage zu stellen.