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Liviu Dragnea – das Ende einer politischen Karriere

Nach der Niederlage bei der Europawahl bekommt die regierende PSD noch einen Schlag: Ihr Parteichef Liviu Dragnea wurde nach einem rechtskräftigen Urteil endgültig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gestern Abend trat er die Haftstrafe an.

Liviu Dragnea – das Ende einer politischen Karriere
Liviu Dragnea – das Ende einer politischen Karriere

, 28.05.2019, 16:03

Liviu Dragnea, als Präsident der Abgeordnetenkammer die Nummer 3 im rumänischen Staat, aber als Parteichef der Sozialdemokraten (PSD), der grö‎ßten Partei des Landes, die Nummer 1 in der Politik, wurde am Montag, den 27. Mai, vom Obersten Gericht in Bukarest wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt und befindet sich seit gestern Abend in Haft. Die Richter bestätigten das Urteil, das vor etwa einem Jahr im Strafverfahren betreffend die fiktiven Beschäftigungen im Kinderschutzamt des Landkreises Teleorman (im Süden Rumäniens) verkündet worden war. In erster Instanz war Liviu Dragnea letztes Jahr zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden; danach ging das Verfahren in Revision. Beim Gerichtstermin am 15. April plädierte Liviu Dragnea unschuldig. Die Staatsanwälte von der Antikorruptionsbehörde DNA haben Beweise für die Anschuldigung wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch vorgelegt und gefordert, dass der Angeklagte Liviu Dragnea zu einer höheren Freiheitsstrafe verurteilt wird. Als Kreisratsvorsitzender von Teleorman habe Liviu Dragnea vor einigen Jahren veranlasst, dass mehrere PSD-Mitarbeiterinnen vom Kinderschutzamt bezahlt werden, ohne dort tatsächlich zu arbeiten; die betreffenden Frauen seien nie beim Kinderschutzamt erschienen, sondern hätten ausschlie‎ßlich für die Sozialdemokratische Partei PSD gearbeitet. Laut DNA habe Liviu Dragnea als Vorsitzender des Landkreisrates Teleorman die Arbeit des Kinderschutzamtes koordiniert und kontrolliert.



Für den ehemaligen sozialdemokratischen Spitzenpolitiker ist es die zweite Strafverurteilung. Liviu Dragnea hatte zuvor in einem anderen Strafverfahren gegen ihn noch eine zweijährige Freiheitsstrafe auf Bewährung bekommen — in diesem Verfahren wurde wegen Wahlbetrugs beim Referendum von 2012 betreffend die Suspendierung des damaligen Staatspräsidenten Traian Băsescu für schuldig befunden. Diese Strafverurteilung hat Liviu Dragnea daran gehindert, nach dem Wahlsieg der Sozialdemokratischen Partei bei der Parlamentswahl von 2016, als die PSD 45% der Stimmen bekommen hatte, das Amt des Premierministers zu übernehmen. Dragnea leitete zwar nicht offiziell, aber als Strippenzieher autoritär die damals konstituierte und von ihm kontrollierte PSD-ALDE-Koalitionsregierung. Er lie‎ß zwei Ministerpräsidenten auswechseln, die Zeichen von Insubordination zeigten, im ersten Fall durch einen Misstrauensantrag gegen die eigene Exekutive, eine beispiellose Geste in der rumänischen Politik. Genauso autoritär verhielt er sich auch dem Parlament gegenüber. Getrieben wurde er vom Wunsch, der Freiheitsstrafe zu entkommen.



Das sagen Staatspräsident Klaus Iohannis, die bürgerliche Opposition, Journalisten, Beobachter, unabhängige Politkommentatoren und nicht zuletzt die Rumänen, die in den letzten zweieinhalb Jahren ständig protestiert haben. Alle klagten gegen die unzähligen Änderungen der Justizgesetze, des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung, die durch Eilverordnungen der Regierung erlassen oder durch die Gesetzesinitiativen der PSD-ALDE-Mehrheit im Parlament durchgeboxt wurden. Die meisten dieser Gesetzesänderungen beeinflussen die Unabhängigkeit der Justiz und gefährden den Kampf gegen die Korruption, warnten auch die EU-Institutionen.



Bei rechtlichen Problemen wenden sich die einfachen Menschen an Anwälte. Liviu Dragnea hatte eine Armee von Anwälten hinter sich, aber aus lauter Verzweiflung versuchte er noch mehr. Er wollte die staatlichen Behörden entmachten und sich hörig machen, um seine Probleme in der Justiz aus dem Weg zu räumen. Seine Absicht war, auf nationaler Ebene genau das zu tun, was er ungehindert in seinem Heimat-Landkreis Teleorman getan hatte, als er dort Kreisratsvorsitzender war. Wegen Mangel an Privatinvestoren wird in solchen armen Landkreisen der Staat mit seinen lokalen Einrichtungen und Agenturen zum wichtigsten Arbeitgeber. Und einflussreiche politische Führer, wie gemä‎ß der Beweismittel der DNA auch Liviu Dragnea einer war, entscheiden über alles, auch über fiktive Einstellungen in staatlichen Behörden.



Das ist die Essenz des Prozesses, der zum Straufurteil gegen Dragnea führte. Ein sarkastischer Journalist bedauerte es fast, dass Liviu Dragnea für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, weil er neugierig gewesen wäre, zu sehen, wie Liviu Dragnea nach der Niederlage bei der Europawahl 2019 von seinen eigenen Parteikollegen politisch hingerichtet worden wäre. Diese Wahlniederlage ist übrigens leicht auf den früheren PSD-Führer zurückzuführen, der sogar die Wut der PSD-Wähler auf sich und somit auf die gesamte Sozialdemokratische Partei gezogen hat. Liviu Dragnea ist einer der ranghöchsten Politiker, der im postkommunistischen Rumänien wegen Korruption verurteilt wurde. Wegbereiter in dieser Hinsicht war ebenfalls ein strafrechtlich verurteilter Sozialdemokrat, der ehemalige Premierminister Adrian Năstase.

Foto: Agerpres / EPA
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