Korruptionsskandal um Präsidentenbruder
Ein riesiger Skandal entwickelt sich in Bukarest, nachdem der Bruder des rumänischen Staatschefs am Donnerstag von den Antikorruptionsstaatsanwälten festgenommen wurde. Ihm wird Annahme von Bestechungsgeld vorgeworfen.
Bogdan Matei, 20.06.2014, 15:27
Der rumänische Staatschef Traian Băsescu erlebt sechs Monate vor Ende seines zweiten und damit letzten Mandates den peinlichsten Moment seiner Karriere, im Laufe derer er sich als Vorreiter der Korruptionsbekämpfung profiliert hatte. Sein eigener Bruder, Mircea, ist der Protagonist eines tragikomischen Korruptionsfalls. Der Vorwurf: Einflussnahme. Die Antikorruptionsstaatsanwälte lasten Mircea Băsescu an, er habe 250.000 Euro Schmiergeld erhalten, um ein günstiges Urteil oder zumindest eine mildere Strafe im Prozess zu erwirken, in dem der halbseidene Geschäftsmann Sandu Anghel wegen Mordversuchs zu knapp neun Jahren Haftstrafe verurteilt worden war. Anghel hatte seinen Neffen niedergestochen.
Anghel, der auch unter dem Spitznamen Bercea Mondial“ (in etwa: Bercea der Weltgewandte“) bekannt ist, ist eine zwielichtige Figur und Pate der sogenannten Zigeunermafia“ in der Kleinen Walachei (Oltenien). Einige behaupten, er sei ein Halbanalphabet, doch niemand bestreitet seine Fähigkeiten, in Kreise hineinzutreten, die ihm eigentlich unzugänglich sein sollten und auf deren Unterstützung er zählte. All das ist dank seines Geldes und seiner Fähigkeit, die Wahlstimmen der Roma-Gemeinschaft zu manipulieren, möglich. Zwei seiner zahlreichen Enkel wurden von dem Ex-Premierminister Theodor Stolojan getauft, amtierender Europaabgeordneter, bzw. von dem Bruder des amtierenden rumänischen Staatschefs, Mircea Băsescu, der ebenfalls Geschäftsmann ist.
Anghel beschuldigt Mircea Băsescu, Bestechungsgelder angenommen zu haben. Dafür sollte Mircea Băsescu seinen Einfluss auf Richer geltend machen, um die Haftentlassung Anghels zu erwirken. Trotz mehrerer abgehörter Telefongespräche, die insbesondere präsidentenkritische Medien veröffentlichten und die für Mircea Băsescu alles andere als entlastend sind, bestreitet dieser kategorisch seine Schuld und gleichzeitig jedwelche Verwicklung seines Bruders im Skandal. Der rumänische Staatschef versicherte seinerseits, er werde sich nicht für seinen Bruder einsetzen, um ihn zu schützen oder die Justizermittlungen zu beeinflussen. Traian Băsescu dazu:
Ich werde nicht zum Anwalt meines Bruders werden. Er ließ sich in ein Milieu verwickeln, in das er sich nicht hätte verwickeln lassen sollen. Er hatte hier nichts zu suchen, er hätte sich nicht in schlechte Gesellschaft begeben sollen. Ich gehe davon aus, dass wir alle vor dem Gesetz gleich sind, egal wie wir heißen und welches Amt wir bekleiden. Die Tatsache, dass du der Bruder des Staatspräsidenten bist, verschont dich vor einer Verantwortung vor Justiz und Gesetz nicht.“
Selbst die verbittertsten politischen Gegner des Staatschefs scheinen peinlich berührt zu sein. Premierminister Victor Ponta hat den Rücktritt von Traian Băsescu gefordert, um jedwelchen Verdacht hinsichtlich eines Einflusses auf die Ermittlungen zu beseitigen. Ponta brachte seine Rücktrittsforderung allerdings nicht mit großer Überzeugung über die Lippen.
Abgesehen von der politischen Brisanz wirft der Skandal schwierige Fragen auf: Wie hat Anghels Clan die vielen Millionen Euro angehäuft, mit denen er in Interviews prahlte? Woher kommt das Geld? Wurde dieses Geld jemals versteuert? Hätten die Geheimdienste die seltsame Symbiose zwischen der Unterwelt und der erweiterten Familie des Staatschefs untersuchen müssen? Hätte der Präsident gewarnt werden müssen, dass die Schwächen seines Bruders ein Sicherheitsrisiko darstellen? Wussten die Geheimdienste von dieser Affäre und verschwiegen sie es? Medien und Politikbeobachter interpretieren dies in unterschiedlichster Weise. Einigkeit herrscht nur darüber, dass der riesige Skandal erst begonnen hat.
UPDATE:
Freitagabend verhängte das Landgericht Bukarest eine 30-tägige Untersuchungshaft gegen Mircea Băsescu, dem Bruder des rumänischen Staatspräsidenten Traian Băsescu. Er wurde daraufhin unverzüglich in Gewahrsam der Bukarester Polizei gebracht, gegen das Urteil sind allerdings noch Rechtsmittel zulässig. Die Antikorruptionsbehörde DNA lastet ihm Einflussnahme an.
Festgenommen wurde ebenfalls Marian Căpățână, der das Bestechungsgeld von Sandu Anghels Familie Mircea Băsescu überbracht haben soll.
Die Ermittler beschuldigen Mircea Băsescu, er habe in der Zeit 20. Februar 2011 – 22. Februar 2012 Geld in Höhe von insgesamt 250.000 Euro von Florin Anghel, dem Sohn Sandu Anghels, erhalten, um seinen Einfluss in der Justiz geltend zu machen. Für die Geldübergabe sei der Beschuldigte Marian Căpățînă verantwortlich gewesen. Mircea Băsescu habe als Gegenleistung für das erhaltene Geld versprochen, bei den Richtern zu intervenieren, um eine mildere Strafe oder sogar die Freilassung des wegen versuchten Mordes Angeklagten Sandu Anghel zu bewirken, so die DNA-Ermittler.