Gesetzentwurf zur Begnadigung wieder im Rechtsausschuss des Senats
Der umstrittene Gesetzentwurf zur Begnadigung ist erneut im Rechtsausschuss des Senats gelandet. Die Entscheidung wurde im Plenum des Senats getroffen. Dahinter steckt offenbar die Leitung der sozialdemokratischen PSD.
Ştefan Stoica, 09.05.2017, 17:32
Von der Regierung ins Parlament, zum Rechtsausschuss des Senats, danach ins Plenum des Senats und schließlich zurück in den Rechtsausschuss für eine weitere Woche. Diese Strecke musste bislang ein umstrittener Gesetzentwurf zur Begnadigung zurücklegen. Der Rechtsakt hatte Straßenproteste verursacht und innerhalb der wichtigsten Regierungspartei, der PSD, für Zwietracht gesorgt. Der Koalitionspartner der Sozialdemokraten, die Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE), erahnte die Brisanz des Gesetzentwurfs und schlug deshalb eine neue Beratungsrunde im Rechtsausschuss vor. In diesem Ausschuss des Senats waren wichtige Änderungen am ursprünglichen Text vorgenommen worden, die der PSD-Führung missfallen.
Den Vorsitz im Rechtsausschuss hat übrigens ebenfalls ein Sozialdemokrat inne: Das ist Şerban Nicolae, der bei seinem politischen Vorgesetzten, dem PSD-Chef Liviu Dragnea, bereits in Ungnade gefallen ist. In einem früher für unmöglich gehaltenen Zusammenspiel mit Ex-Präsident Traian Băsescu, heute Senator der Volksbewegung aus der Opposition, hatte der Sozialdemokrat Nicolae die Änderungen am Begnadigungs-Gesetz vorgenommen. Dabei geht es vor allem um Korruptionsdelikte wie Bestechung oder Annahme von Bestechungsgeldern und Vorteilsgewährung. Man muss bedenken: Das alles findet nach dem Zwischenfall mit der berühmten Eilverordnung zur Entspannung des Strafgesetzes statt, die nach heftigen Demonstrationen landesweit zurückgenommen worden war. Die PSD würde im Normalfall ein weiteres fragwürdiges Gesetz vermeiden wollen. Ihr Vorsitzender Liviu Dragnea hat dies offenbar schnell verstanden und den Parlamentariern der Regierungskoalition verlangt, den Gesetzentwurf nicht mehr abzuändern.
Şerban Nicolae fügte sich dem Aufruf nur teilweise, denn einige Änderungen kamen dennoch durch. Darunter die vollständige Begnadigung von Haftstrafen bis einschließlich drei Jahren, die Kürzung von Haftstrafen bis einschließlich 10 Jahren um drei Jahre, die Halbierung der Haftstrafen von schwangeren Frauen und die bedingte Begnadigung aller Haftstrafen von Personen, die älter sind als 70 Jahre. Senator Şerban Nicolae erklärte, laut Angaben der Landesverwaltung der JVA könnten gut 1000 Personen von den Neuerungen profitieren. Unlängst war der Bericht mit den Änderungsanträgen an das Plenum des Senats geschickt worden, inzwischen ist er jedoch wieder im Rechtsausschuss gelandet. Das ist wohl ein Zeichen dafür, dass die PSD-Führung auch diese Fassung nur ungerne akzeptieren würde. In die Enge getrieben, plädierte Şerban Nicolae zugunsten einer vernünftigen Debatte im Parlament.
Die Opposition aus PNL und der Union Rettet Rumänien beanstandete den Nutzen eines derartigen Gesetzes. Das Begnadigungsgesetz würde das Problem der Überbevölkerung in den Gefängnissen nicht lösen, verlautete es aus den Reihen der Liberalen. Der rumänische Staat war deshalb mehrmals am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt worden — das Gericht gewährte den Behörden in Bukarest unlängst eine Frist von sechs Monaten für die Erarbeitung eines Maßnahmenplans zur Behebung der Probleme. Die Begnadigung würde aber langfristig die prekäre Lage in den Haftanstalten nicht beseitigen, glauben Vertreter des Strafvollzug-Systems. Und auch für das Image der PSD wäre es nicht unbedingt fördernd, wie die prompte Reaktion der Begnadigungsgegner auf der Straße es zeigt. Im Gegenteil: Die PSD läuft Gefahr, sich selbst ein Bein zu stellen.