Erneut Unruhen in der Ukraine
Tote, Verletzte, flammende Gebäude – in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist Kiew zum Kriegsfeld der Protestierenden und der Polizei geworden. Die internationale Gemeinschaft ruft einstimmig zur Vernunft auf.
Bogdan Matei, 19.02.2014, 15:10
Nach wochenlanger scheinbarer Ruhe, während der das Feuer des Aufstandes geschwelt hat, bricht die Ukraine wieder in Flammen aus. Die Zusammenstöße im Zentrum von Kiew zwischen den pro-europäischen Demonstranten und der Polizei der pro-russischen Regierung des Präsidenten Viktor Janukowitsch forderten zahlreiche Opfer auf beiden Seiten.
Durch nichts angekündigt, ist die Gewalt, die diese Woche ausbrach, beispiellos in den 23 Jahren, die seit dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion und der Unabhängigkeitsverkündung Kiews vergangen sind. Wie absehbar, wurden zuerst die Russland-feindlichen Regionen im Westen des Landes kontaminiert, die sich der Regierung in Kiew widersetzen. Hier wurden erneut die Sitze der Behörden besetzt.
Der Osten und der Süden der Ukraine, die sich schon immer auf der Umlaufbahn Russlands befanden, waren vergleichsweise ruhiger und die lokalen Vertreter fordern den Präsidenten auf, Maßnahmen zur Beendigung der Unruhen zu treffen. Die zahlreichen Risse, die die Ukraine zwischen Osten und Westen, zwischen pro-westlichen und Russland-nahen, zwischen unaufhaltsamen Aufständischen und erbarmungslosen Polizisten teilen, vertiefen sich von Stunde zu Stunde.
Während sich die Streitkräfte auf der Straße gegenseitig massakrieren, sind die Politiker unfähig, die Formel eines Waffenstillstands zu finden, und die Verhandlungen bleiben weiterhin ergebnislos. Fassungslos vor der Hassentfaltung in der Ukraine, können die diplomatischen Kanzleien nichts anderes tun, als zur Ruhe, Mäßigung und Vernunft aufzurufen.
Die Vereinigten Staaten verurteilten die Gewalttaten beider Parteien, betonten aber, dass die Regierung die Verantwortung für die Wiederherstellung des Friedens trägt. Der amerikanische Vizepräsident Joe Biden forderte Janukowitsch auf, die Ordnungskräfte zurück zu ziehen und Zurückhaltung aufzuweisen. Die europäische Chefdiplomatin Catherine Ashton zeigte sich sehr besorgt über die Eskalierung der Gewalt und betonte, dass Brüssel bereit sei, durch alle möglichen Mittel Unterstützung zu leisten.
In Bukarest herrscht allgemeine Besorgnis. Diese ist legitim, denn Rumänien teilt hunderte Kilometer Grenze mit der Ukraine. Außerdem zählt die in der Ukraine lebende rumänische Gemeinde rund eine halbe Million Seelen. Außenminister Titus Corlăţean rief zur Beendigung der Gewalt auf. Seinerseits forderte Präsident Traian Băsescu Janukowitsch auf, auf Gewaltanwendung und Unterdrückung der Protestierenden zu verzichten.
Während der antikommunistischen Revolution von 1989 durchlebte Rumänien gewaltsame Auseinadersetzungen. Über eintausend Menschen verloren ihr Leben in dem Kampf für Freiheit und Demokratie. Wir haben damals gelernt, dass Gewalt keine Lösung darstellt und dass man durch den demokratischen Dialog nach Lösungen suchen muss“ — teilte der rumänische Präsident seinem Amtskollegen in der benachbarten Ukraine mit.