Erneut spontane Massenproteste gegen Änderung des Strafgesetzbuches
Die Änderung des Strafgesetzbuches durch eine Eilverordnung bei einer Nacht-und-Nebel-Aktion hat in der rumänischen Gesellschaft für Empörung und für neue weitgehende Proteste in Bukarest und in anderen Großstädten des Landes gesorgt.
Bogdan Matei, 02.02.2017, 03:25
Rumänien hat einen Tag erlebt, den selbst Präsident Klaus Iohannis als Trauertag bezeichnet hat. Daraufhin folgte eine weiße Nacht mit scharfen spontanen Protesten in allen Großstädten des Landes. Es ist unzulässig, es ist eine Verhöhnung, dass die Regierung ein Gesetz über Nacht verabschiedet, ohne dass dieses auf der Tagesordnung steht, durch einen Eilerlass in einem solch empfindlichen Bereich wie das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung. So etwas kann man nicht zulassen“ — sagte Iohannis nachdem das Kabinett der Sozial-Demokratischen Partei (PSD) und der Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE) am späten Dienstagabend zum allgemeinen Entsetzen einen Eilerlass zur Änderung und Ergänzung der Gesetzbücher verabschiedet hat.
Der Großteil der Vorschriften des Erlasses soll binnen 10 Tage nach Veröffentlichung in Kraft treten. Unter der Schwelle eines Schadens von 200.000 Lei (umgerechnet rund 45 Tausend Euro), wird der Amtsmissbrauch nicht mehr strafrechtlich bestraft. Die Begünstigung des Täters, einschließlich durch die Billigung von Rechtsnormen wie etwa die Maßnahme, über Nacht Eilerlässe zu verabschieden, wurde entkriminalisiert. Die Eilverordnung besagt außerdem, dass die Begünstigung des Täters entkriminalisiert wird, falls die Tat von einem Familienmitglied oder einem Schwager bis 2. Grades begangen wird.
Die Änderung des Strafgesetzbuches rief in Bukarest und anderen Großstädten des Landes weitgehende Proteste hervor. Insgesamt gingen 40 Tausend Menschen spontan auf die Straßen, bei eisiger Kälte und Dunkelheit, sowohl in Bukarest, im nordwestlichen Cluj-Napoca (Klausenburg), im mitterumänischen Sibiu (Hermannstadt), im westlichen Timişoara (Temeswar) oder im nordöstlichen Iaşi (Jassy). Allein in der Hauptstadt umzingelten über 12 Tausend Demonstranten den Sitz der Regierung. Es kam zu einigen Rangeleien mit den Ordnungskräften Die von dem Sozialdemokraten Florin Grindeanu geführte Exekutive ist die erste Regierung in den letzten 25 Jahren, die mit dem Bus der Gendarmerie aus dem Regierungspalast evakuiert werden musste.
Die Wut der Protestler wurde von der Weise verstärkt, wie die Regierung vorgegangen ist. Diese bezeichneten sie als diebisch“. Nicht weiter als Sonntag waren 100 Tausend Menschen im ganzen Land und Diaspora-Rumänen im Ausland auf die Straße gegangen, um gegen die Absicht der Regierung zu protestieren, die Strafgesetzbücher zu ändern und zu einer kollektiven Begnadigung fortzuschreiten. Über die letztere behauptete die Regierung, dass sie die Überbevölkerung der Strafvollzugsanstalten lindern solle.
Am Montag hatte Justizminister Florin Iordache eine öffentliche Debatte zu diesem Thema organisiert. Im Zuge der Gespräche hatte er versprochen, er werde die dort geäußerten Einwände in Betracht ziehen. Das Vorhaben der Regierung ist auch von den Chefstaatsanwälten kritisiert worden — von dem Generalstaatsanwalt, von der Chefstaatsanwältin der Antikorruptionsbehörde, von dem Chefstaatsanwalt der Anstalt zur Ermittlung und Bekämpfung des Organisierten Verbrechens und des Terrorismus sowie von dem Obersten Rat der Richter und Staatsanwälte. Diese äußerten einstimmig die Meinung, dass die Rechtsstaatlichkeit schwerwiegend angegriffen werde und dass mehrere Jahre erfolgreicher Korruptionsbekämpfung einfach rückgängig gemacht würden.
Verglichen mit der berühmten Aktion Saubere Hände“ in Italien, die die Fäulnis der politischen Klasse in Rom gesäubert hatte, beförderte die Antikorruptionskampagne in Rumänien einen amtierenden Premierminister, ehemalige Regierungschefs, dutzende Minister, Parlamentarier, Präfekten, Bürgermeister, Kreisratsvorsitzende von der Regierung oder aus der Opposition, von links oder von rechts, auf die Anklagebank.
Nun habe eine ganze Regierung mobil gemacht, spekuliert sowohl die einheimische als auch die internationale Presse, um den politischen Chef, den Führer der Sozial-Demokratischen Partei, Liviu Dragnea, zu retten. Dieser wurde bereits letztes Jahr zu zwei Jahren Bewährungshaft verurteilt, weil er 2012 versucht hatte, Wahlbetrug beim Referendum zur Amtsentlassung des damaligen Präsidenten Traian Băsescu zu begehen. Gegen Dragnea läuft nun ein Strafverfahren beim Obersten Justiz- und Kassationshof unter der Beschuldigung der Anstiftung zum Amtsmissbrauch.
Laut den Staatsanwälten habe er die Einstellung zweier Mitglieder der Sozial-Demokratischen Partei bei der Generaldirektion für Sozialhilfe und Kinderschutz in Dragneas Heimatlandkreis Teleorman veranlasst. Diese wurden aus öffentlichen Geldern für eine fiktive Arbeit bezahlt, denn in Wirklichkeit hätten sie ausschließlich für die Partei gearbeitet, so die Anschuldigung der Staatsanwaltschaft. Der von den Staatsanwälten berechnete Schaden beträgt rund 24 Tausend Euro.
Die Schwelle von 200.000 Lei, die in den Regierungserlässen festgelegt wird, entlastet, so Kommentatoren, den mächtigsten Mann der Linken. Dieser leitete am 11. Dezember 2016 die Sozial-Demokratische Partei zu einem kategorischen Sieg bei den Parlamentswahlen, ohne einen Augenblick während der Wahlkampagne zu versprechen, er werde die Korruptionsbekämpfung bremsen.