Erdgasvorkommen im Schwarzen Meer: Wann beginnt Rumänien mit der Förderung?
Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine ist auch Rumänien bemüht, die Gaslieferungen aus Russland einzuschränken.
Roxana Vasile, 19.04.2022, 16:39
Rumänien ist zwar nicht total abhängig von Rohstoffen aus Russland — eher im Gegenteil: Rumänien deckt seinen Bedarf an Erdgas zu 80 % aus der heimischen Förderung, nur etwa 20 % der Gaslieferungen kommen über unterschiedliche Wege aus Russland. Doch die Förderung von Gas- und Erdöl aus dem Kontinentalsockel vor der rumänischen Schwarzmeerküste ist nun erneut in aller Munde, hierfür wurde auch das sogenannte Offshore-Gesetz abgeändert — die Debatte im Parlament steht allerdings noch aus. Die Frage ist nur: Wann wird Rumänien mit der Erdgasförderung im Schwarzen Meer beginnen?
Auf die Frage nach dem Förderungsbeginn äußerte sich Premierminister Nicolae Ciucă nur knapp mit den Worten: In Kürze“. Die Würze liegt zwar in manchen Fällen in der Kürze, doch die vage Antwort des Regierungschefs kann nicht zufriedenstellend sein, zumal sich die EU und Russland aufgrund des Angriffs gegen die Ukraine in einem regelrechten Handels- und Wirtschaftskrieg befinden. Die Abhängigkeit mancher EU-Länder von Erdgaslieferungen aus Russland lässt sie auch skeptisch gegenüber der Verschärfung der Sanktionen auftreten, denn der Kreml könnte als Gegenmaßnahme diesen Ländern den Gashahn schlicht zudrehen. Auch von der EU-Kommission heißt es offiziell, die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen könne nicht von heute auf morgen aufgehoben werden, als Zeithorizont schwebt der Kommission das Jahr 2030 vor, in der Zwischenzeit sollen Alternativen gefunden und gefördert werden.
Rumänien ist da ein glücklicher Ausnahmefall: Innerhalb der EU ist das Land am wenigsten abhängig von russischem Gas, Rumänien ist der zweitgrößte Förderer von Erdöl und Gas in der Union und verfügt über große Vorkommen an Erdgas im Festlandsockel des Schwarzen Meeres. Jahrelang haben Experten die Tatenlosigkeit der rumänischen Politik bemängelt — es fehle an einer strategischen, zukunftsorientierten Vision, denn mit der Förderung der Erdgasvorkommen im Schwarzen Meer könnte Rumänien nicht nur energetisch komplett unabhängig werden, sondern sich auch zu einem wichtigen Exporteur entwickeln.
Vor diesem Hintergrund hat diese Woche der Senat in Bukarest, die Oberkammer des rumänischen Parlaments, eine Debatte im Eilverfahren über die Änderungsvorlage des sogenannten Offshore-Gesetzes begonnen. Die Wirtschaftsakteure begrüßten die Novellierung des Gesetzes; Cătălin Niţă, Exekutivdirektor des rumänischen Arbeitgeberverbandes in der Erdöl- und Gasförderungsindustrie, ist zumindest zufrieden darüber, dass endlich etwas in Bewegung kommt:
Auf den ersten Blick ist die Novelle eine verbesserte Variante des bisherigen Offshore-Gesetzes. Wir werden mit großer Wahrscheinlichkeit einige Verbesserungsanträge einreichen, aber vorerst sind wir glücklich darüber, dass wir endlich aus der Sackgasse herauskommen. Dieses Gesetz ist sehr wichtig für die energetische Unabhängigkeit des Landes und nicht zuletzt für die Energiepreise, die Endverbraucher künftig bezahlen werden.“
Das Offshore-Gesetz sieht in seiner abgeänderten Vorlage in erster Linie eine legislative Stabilität während der gesamten Förderungszeit der Erdgasreserven im Schwarzen Meer vor, die auf 20 Jahre geschätzt wird. 60 % der erwirtschafteten Gewinne soll der rumänische Staat behalten, Investoren dürfen 40 % in die eigene Tasche stecken. Der rumänische Staat hat ferner Vorrang beim Kauf der so erworbenen Rücklagen, Überschüsse sollen exportiert werden.
Die Erdgasvorkommen im rumänischen Teil des Festlandsockels im Schwarzen Meer werden auf 200 Mrd. Kubikmeter geschätzt, wobei der größte Teil im sogenannten Neptun-Deep-Abschnitt liegt, dessen Förderungsrechte ÖMV Petrom und ExxonMobil schon vor Jahren erworben haben. Allerdings will das staatliche Unternehmen Romgaz den US-Amerikanern von Exxon die Aktien demnächst abkaufen. In der Raffinerie bei Kap Midia seien die Einrichtungsarbeiten schon fortgeschritten, so dass die internationale Investment-Gruppe Black Sea Oil & Gas schon in diesem Jahr mit der Förderung beginnen soll, versichert Premierminister Nicolae Ciucă:
Es besteht die Möglichkeit, dass wir schon gegen Mitte des Jahres auf Erdgas aus dem Schwarzen Meer werden zurückgreifen können. Die Investition von Black Sea Oil & Gas ist schon über die Bühne gelaufen, dadurch erhoffen wir uns 1 Mrd. Kubikmeter Gas jährlich. Und Ende 2026 — Anfang 2027 könnten wir schon die ersten Gaslieferungen aus dem Abschnitt Neptun Deep erhalten.“
Bukarest hofft dadurch, zu einem regionalen Energiesicherheitspol zu werden.