Erdgas aus dem Schwarzen Meer
Vor dem Hintergrund der vom russischen Angriffskrieg ausgelösten Gas-Krise hat Rumänien erste Erdgasmengen aus Vorkommen am Schwarzen Meer erhalten.
Marius Tiţa, 16.06.2022, 13:32
Die ersten Lieferungen von Erdgas aus dem Schwarzmeer-Sockel wurden in das rumänische Fernleitungsnetz eingespeist. Eine wichtige Nachricht, die zu einem entscheidenden Zeitpunkt kommt. Gemäß Journalisten des rumänischen Hörfunks ist dies das erste neue Projekt zur Erschließung der Erdgasförderung aus dem rumänischen Schwarzmeer-Kontinentalsockel seit 30 Jahren. Es ist auch das erste Entwicklungsprojekt dieser Art, das zurzeit durchgeführt wird.
Das Midia-Projekt besteht aus fünf Offshore-Bohrungen in den Feldern Doina“ und Ana“. Das Projekt, das in einem Flachwassergebiet ausgeführt wird, besteht auch aus einer Förderplattform, die von Land aus überwacht und betrieben wird, einer 126 km lange Unterwassergaspipeline, die die Plattform mit dem Festland verbindet, und einer neuen Gasaufbereitungsanlage. Diese befindet sich unweit, in der Gemeinde Corbu, an der rumänischen Küste. Anschließend wird das aufbereitete Gas in das nationale Fernleitungsnetz eingespeist.
Die Ausbeutung der beiden Schwarzmeer-Felder ist auf 10 Jahre angelegt. In diesem Jahr soll eine halbe Milliarde Kubikmeter Gas gefördert werden. Die Produktion soll in den nächsten drei Jahren auf eine Milliarde Kubikmeter Gas im Jahr steigen. Diese zwei Felder werden etwa 10 % des rumänischen Gasbedarfs decken. Parallel dazu sollen auch andere Projekte im rumänischen Schwarzmeer-Kontinentalsockel umgesetzt werden, darunter auch Initiativen zur Entwicklung grüner Energie.
Die Förderung der Erdgasvorkommen im rumänischen Schwarzmeer-Kontinentalsockel ist ein strategisches Vorhaben des Staates, das in letzter Zeit immer dringender wurde. Erdgaslieferung ist heute eine geopolitische Waffe, ein Mittel zur Erpressung des privilegierten Lieferanten vieler europäischer Länder — Russlands. Die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöste Krise führte die Abhängigkeit dieser Länder von den politischen Entscheidungen Moskaus deutlich vor Augen.
Die Strategie der Wirtschaftssanktionen gegen Russland steht im Widerspruch zu der Notwendigkeit, die Wirtschaft und die Bevölkerung der Länder der Europäischen Union mit Erdgas zu versorgen. Es wurde sofort ein Prozess in Gang gesetzt, um russisches Erdgas so schnell wie möglich durch andere Quellen, insbesondere Flüssiggas, zu ersetzen. In der Zwischenzeit beschloss Moskau auch, die vertraglichen Gaslieferungen an einige europäische Länder einfach zu unterbinden. Dies beschleunigte die Umsetzung von Alternativlösungen weiter.
Rumänien ist zu höchstens 10 % von russischen Gaslieferungen abhängig. In diesem Zusammenhang stellt die Aufnahme der Gaslieferungen vom rumänischen Festland, d. h. von der Europäischen Union, eine gute, wenn auch nur eine Teillösung dieses Problems dar, mit dem die demokratische und zivilisierte Welt aufgrund des Angriffskrieges konfrontiert ist.