Energiepreiskrise: Koalition uneinig über Hilfsmaßnahmen
Immer mehr Endverbraucher erhalten horrende Strom- oder Gasrechnungen. Vor diesem Hintergrund plant die Regierung neue Maßnahmen wie Preisdeckelungen und Teilentlastungen, die allerdings auch politischen Zündstoff bergen.
Mihai Pelin, 17.01.2022, 15:56
In Rumänien sind die Strom- und Gasrechnungen in den letzten Monaten regelrecht explodiert — viele Endverbraucher staunten nicht schlecht, als da Beträge zu lesen waren, die das Vier- bis Fünffache im Vergleich zur Zeit vor der Liberalisierung des Energiemarktes ausmachten. Die Regierung schiebt das den Energieerzeugern und -lieferanten in die Schuhe, denn — so die offizielle Erklärung — die Exekutive habe bereits im Oktober mit einem Gesetz reagiert, das die Liberalisierung über einen begrenzten Zeitraum stufenweise abmildert. Konkret wurde der Energiepreis im Zeitraum 1. November 2021 — 1. April 2022 auf umgerechnet 20 Eurocents pro kWh für Strom bzw. auf rund 7,5 Eurocents pro kWh für Gas gedeckelt. Außerdem übernimmt der Staat einen Teil der Rechnung für Endkonsumenten, vorausgesetzt der Verbrauch von Gas oder Strom hält sich in bestimmten Grenzen.
Nun will die Regierung das entsprechende Gesetz novellieren, sagt Energieminister Virgil Popescu, so dass Energielieferanten, die das bisherige Deckelungs- und Kompensationsgesetz ignoriert haben, gezwungen werden, die überhöhten Rechnungen für Endverbraucher erneut auszustellen. Die Rede ist auch von der Erhöhung der staatlichen Kompensationen für Gasrechnungen, außerdem soll die Entkopplung der Schuldner im häuslichen Bereich von der Gaslieferung unterbunden werden. Die Maßnahmen sollen zudem auch für die Lebensmittelindustrie und die Landwirtschaft gelten, so Energieminister Virgil Popescu, der sich allerdings nicht schlüssig ist, wie das zu finanzieren ist:
Ab 1. Februar diskutieren wir auch über ein Kompensationspaket für die Lebensmittelindustrie und die Landwirtschaft. Die Rede ist von einem zusätzlichen Preisnachlass für Gasverbrauch in diesen Wirtschaftsbranchen. Dabei könnten wir entweder das Skonto von 33% auf 50% erhöhen oder die MwSt. für Erdgas senken. Wir werden also Lösungen finden müssen, wie wir ab 1. Februar bzw. ab 1. April nach diesem Schema weiter vorgehen.“
Die Preiskrise und die überteuerten Rechnungen für Gas und Strom sorgen auch für politischen Zündstoff in der Koalition — namentlich zwischen den Großkoalitionären PSD und PNL. Rücktrittsforderungen gegenüber dem liberalen Energieminister oder der Leitung der einschlägigen Regulierungsbehörde wechselten sich mit Beschwichtigungen ab, man möge die Situation in Einvernehmen lösen. Die Sozialdemokraten sind gegen eine Preisdeckelung und Kompensationen durch den Staat und setzen eher auf eine MWSt.-Senkung oder zumindest Deckelung derselben. Auch eine Tagung des Obersten Verteidigungsrates (CSAT) wurde ins Gespräch gebracht. PSD-Chef Marcel Ciolacu ließ dabei die Gelegenheit nicht aus, dem Koalitionspartner eins auszuwischen:
Es liegt auf der Hand, dass wir voll in der Krise stecken. Und ich glaube, dass die Menschen von dieser Regierungskoalition, die sich einer komfortablen Mehrheit im Parlament erfreut, eine schnelle Lösung erwarten. Nicht erst ab dem 1. April, sondern jetzt.“
PNL-Chef Florin Cîțu ließ das nicht auf seine Partei sitzen und konterte, man müsse auf pragmatische Lösungen setzen, statt populistische Stellungnahmen abzugeben oder den Staatshaushalt zusätzlich zu belasten.
Man sollte eher priorisieren. Bevorteilende Maßnahmen sind unangebracht, ebenso leere Versprechen, dass die Regierung die Rechnungen für alle übernimmt oder Gebühren abschafft. Sonst könnten wir sehr schnell aus dem Gleichgewicht kommen, das wir in den letzten Jahren in der Wirtschaft erzielt haben.“
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind sich hingegen diesmal einig zum strittigen Thema der höheren Energiepreise und wie damit umzugehen sei: Sie fordern einstimmig eine Deckelung der Rechnungen für Strom und Gas, und zwar sowohl für Endverbraucher als auch für empfindliche Wirtschaftsakteure. Ohne systematische und einheitliche Maßnahmen würden viele Unternehmen in den Bankrott getrieben, so die Stellungnahme der Gewerkschaften und Arbeitgeber.