Demographischer Wandel: Rumäniens Bevölkerung altert zunehmend
Laut jüngsten Daten vom Nationalen Statistikinstitut (INS) konfrontiert sich Rumänien mit einer dramatischen demographischen Entwicklung: Die Bevölkerung des Landes schrumpft und gleichzeitig altert sie zunehmend.
Bogdan Matei und Sorin Georgescu, 29.10.2024, 13:56
Die Bevölkerung Rumäniens lag Mitte dieses Jahres bei knapp 21,8 Mio. (21 779 000) Einwohnern – ein Rückgang um einen Prozentpunkt gegenüber dem 1. Juni 2023. Nach Angaben des Nationalen Statistikinstituts (INS) hat sich das Phänomen der demographischen Alterung beschleunigt, so dass die Zahl der über 65-Jährigen den Anteil der jungen Bevölkerung im Alter von bis zu 14 Jahren um fast eine Million übersteigt. Die weibliche Bevölkerung ist um eine halbe Million zahlreicher als die männliche, und das Durchschnittsalter auf nationaler Ebene nähert sich 43 Jahren.
Das wäre die Momentaufnahme der demographischen Entwicklung. Doch die Dynamik sei besorgniserregend, warnen Experten. „Seit der Volkszählung 2011 und bis zur letzten Zählung im Jahr 2021 hat Rumänien rund eine Million Einwohner verloren“, sagte INS-Präsident Tudorel Andrei vor einem halben Jahr in einer von den Bukarester Medien organisierten Debatte. Er verwies auf die deutliche Überalterung der Bevölkerung in den letzten 30 Jahren – sie habe um durchschnittlich 7,7 Jahre zugenommen, bei den Frauen jedoch viel stärker als bei den Männern. Außerdem werde Rumänien in den nächsten Jahren in puncto Einwohnerzahl höchstwahrscheinlich von den Niederlanden abgelöst und bevölkerungsmäßig vom sechsten auf den siebten Platz in der Europäischen Union zurückfallen.
Doch auch Wirtschaftsexperten blicken mit Besorgnis auf diese Entwicklung. „Das Schlimmste ist, dass dieser sehr starke Rückgang in den kommenden Jahren insbesondere die erwerbstätige Bevölkerung betreffen wird“, sagte etwa der Wirtschaftswissenschaftler Ionuț Dumitru, ehemaliger Leiter des Finanzrats, eines unabhängiges Gremiums, das der Regierung in Steuer- und Haushaltsfragen in beratender Funktion zur Seite steht. Wenn die Generation der zwischen 1968 und 1990 geborenen Menschen in den Ruhestand geht, werde das zu einem erheblichen Rückgang der Erwerbsbevölkerung führen, was wiederum einen starken Schock auf dem Arbeitsmarkt bewirken werde, meint der Experte. Diese Bevölkerungskohorten sind in etwa mit den Boomern in Westeuropa zu vergleichen, allerdings mit dem Unterschied, dass der damalige Bevölkerungsboom in Rumänien unter Zwang angespornt wurde: 1967 hatte das kommunistische Regime Abtreibungen verboten und den Zugang zu Verhütungsmitteln erschwert.
Experten sagen auch, dass die Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen in Rumänien eine der am schnellsten wachsenden in Europa ist, ein Trend, der sich voraussichtlich fortsetzen wird. Die Folgen einer alternden Erwerbsbevölkerung werden deutlich, denn eine weniger zahlreiche aktive Bevölkerung wird eine immer umfangreicher werdende Rentnergemeinschaft unterstützen müssen. Diese Verschiebung hat weitreichende Auswirkungen auf alle Lebensbereiche, von der Wirtschaft bis zum Gesundheitswesen, und führt zu einem Dominoeffekt, der jeden Winkel der rumänischen Gesellschaft berühren wird.
Hinzu kommt, dass die Geburtenrate in Rumänien seit Jahrzehnten rückläufig ist und unter dem für eine stabile Bevölkerung erforderlichen Niveau liegt. In den letzten 35 Jahren hat sie sich fast halbiert – von etwa 60 Lebendgeburten pro tausend Frauen im gebärfähigen Alter auf 35. Viele junge Menschen verlassen zudem das Land auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten, und diese Abwanderung verschärft die demographischen Ungleichgewichte.
Schließlich werfen Beobachter der Politik Ineffizienz vor: Trotz ihrer erklärten guten Absichten ist es keiner Regierung in Bukarest, ungeachtet ihrer ideologischen Ausrichtung, gelungen, Programme zu schaffen, die die Rumänen in der Diaspora zu einer zahlenmäßig signifikanten Rückkehr in die Heimat bewegen könnten.