Aussichtloser Misstrauensantrag scheitert
Die PSD-ALDE-Regierung hat am heutigen Mittwoch ein Misstrauensvotum überstanden. Rein mathematisch hatte die Opposition kaum Chancen, damit durchzukommen.
Bogdan Matei, 27.06.2018, 15:45
Die seit Januar regierende sozial-liberale Koalition der Sozialdemokraten (PSD) und Liberaldemokraten (ALDE) hat es wahrlich nicht leicht: Die unabhängigen Medien kritisiert sie täglich, die bürgerliche Opposition geht hart ins Gericht mit beinahe allen Ministern des Kabinetts, die Zivilgesellschaft lässt auch kaum ein gutes Haar am Kabinett der Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă und obendrein protestieren täglich — mal mehr, mal weniger — Menschen vor dem Regierungsgebäude oder vor dem Parlament gegen die umstrittene Justizreform. Nun muss die Regierung den ersten Härtetest bestehen — am heutigen Mittwoch wird im Parlament über einen Misstrauensantrag der Opposition debattiert und abgestimmt. Insgesamt 152 Abgeordnete beider Parlamentskammern von der Nationalliberalen Partei (PNL), der Union Rettet Rumänien (USR) und der Volksbewegungspartei (PMP) haben das Misstrauensvotum initiiert. Die Opposition wirft dem Kabinett vor, mit der Inkompetenz seiner Minister eine Verschlechterung des Wirtschaftsklimas verursacht zu haben. Belegbar sei dies durch die steile Erhöhung des Bankzinsenberechnungsindex ROBOR, durch die galoppierende Inflation, die Abwertung der Landeswährung im Verhältnis zum Euro, die chaotische, immer wieder abgeänderte Steuergesetzgebung und durch fehlende Investitionen im Infrastrukturbereich. Die Regierung der Sozialdemokratin Dăncilă sei zudem nur ein Marionettenkabinett des Parteichefs und Drahtziehers Liviu Dragnea, der sich sämtliche Institutionen des Staates hörig machen und der unabhängigen Justiz einen Knebel in den Mund stecken wolle, so die Opposition.
Für einen erfolgreichen Misstrauensantrag braucht die Opposition 233 Stimmen. Rein mathematisch hat die Opposition allerdings wenig Chancen, mit dem Vorstoß durchzukommen. Die Regierungskoalition PSD-ALDE verfügt über insgesamt 249 Parlamentarier, die Oppositionsparteien haben zusammen nur 154 Stimmen. Die Ungarnpartei UDMR hat 30 Abgeordnete und Senatoren, ist allerdings durch ein Kooperationsprotokoll an die Mehrheitsfraktion gebunden und hat schon angekündigt, der Abstimmung fernbleiben zu wollen. Weitere 17 Abgeordnete, die die restlichen ethnischen Minderheiten im Parlament vertreten, stimmen traditionsgemäß immer an Seite der jeweils Regierenden, und die restlichen 15 unabhängigen Parlamentarier, die zwar allesamt gegen die Regierung und den mächtigen Chef der PSD sind, fallen kaum ins Gewicht.
Liviu Dragnea selbst zeigte sich bereits vergangene Woche sicher, dass der Misstrauensantrag ihm nichts anhaben kann. Da mag er wohl nicht falsch liegen, meinen die Politikbeobachter, schließlich sei er der einzige, der dazu fähig sei, die eigene Regierung zu stürzen — mokieren sich einige Kommentatoren. Dem ist auch so: Vor genau einem Jahr hat die regierende PSD den eigenen Ministerpräsidenten Sorin Grindeanu per Misstrauensvotum im Parlament zur Ordnung gepfiffen — dieser lag im unversöhnlichen Clinch mit seinem Parteichef Dragnea. Eine Mehrheitskoalition, die das eigene Kabinett zum Fallen bringt, um es dann — bis auf den in Ungnade gefallenen Regierungschef — wieder ins Amt zu bringen — das war in der Tat eine Premiere in den 30 Jahren postkommunistischer Demokratie in Rumänien. Dabei blieb es nicht: Ein halbes Jahr später musste Mihai Tudose, der Nachfolger Grindeanus als Ministerpräsident, ebenfalls seinen Hut nehmen — diesmal ohne viel Tamtam, er beugte sich einem Parteikonklave, das über sein Schicksal entschied. Auch er sei mit seinen Unabhängigkeitsallüren dem Parteichef nicht willfährig genug gewesen, so die Kommentatoren.
Journalisten und andere Politikbeobachter sind sich einig: Die Regierung bleibt fest im Sattel, die Opposition hat kaum Erfolgschancen mit dem Misstrauensantrag. Angeschlagen bleibt allerdings das Image dieser Regierungskoalition und des PSD-Chefs Liviu Dragnea. Der Oberste Gerichtshof hat Dragnea vergangene Woche in einem Strafprozess wegen Korruption zu dreieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig, es kann noch angefochten werden, da nicht alle Rechtsmittel erschöpft sind. Und 2016 war Dragnea von einem anderen Gericht in einer weiteren Strafsache zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. In diesem Verfahren war Dragnea des versuchten Wahlbetrugs für schuldig befunden worden, die Strafe wurde allerdings zur Bewährung ausgesetzt.