Arme Menschen oder Terroristen? Europas Angst vor Migranten
Tausende Menschen aus aller Welt drängen nach Europa - das Migrationsproblem beschäftigt die EU-Verantwortlichen seit längerer Zeit, doch aufgrund der Situation im Mittelmeer und jetzt an der französisch-britischen Grenze ist es besonders akut geworden.
Roxana Vasile, 04.08.2015, 17:13
Sie kommen aus Afrika oder dem Nahen Osten, wollen nach Liverpool oder Manchester, einen Job finden und ihre Familie nachkommen lassen. Es ist die Geschichte Tausender Menschen, die über den Eurotunnel aus Frankreich nach Großbritannien zu gelangen versuchen und heute den neuen Dschungel“ bevölkern — das Camp in Calais, auf der französischen Seite des Kanals. London und Paris wollen jetzt enger kooperieren, um die illegalen Migranten zu stoppen. Das Problem habe absolute Priorität. Die Situation sei glasklar: Die Grenzen sind dicht, die Schleuser verhalten sich kriminell, wenn sie Menschen nach Europa bringen.
Die Situation hat sich hingegen nur zeitweilig an die französisch-britische Grenze verlagert, denn die heute in Calais gestrandeten Menschen waren früher in Italien und Spanien an Land gegangen. Aus der Perspektive der EU ist das Problem ein gesamteuropäisches und sei auch nur so zu stemmen. Die Staaten der EU müssen die für die vielen Menschen lebensgefährliche Schleuserkriminalität gemeinsam bekämpfen, aber auch Solidarität in der Verteilung der Migrationslast zeigen. Ende Juli haben sich die Länder der Union geeinigt, vorübergehend mehr als 32 Tausend Migranten aus Drittstaaten zu übernehmen.
Das Problem der Migration ist allerdings facettenreicher und hat neben den wirtschaftlichen Gründen auch teilweise andere Motivationen, sagt Iulian Chifu, Leiter des Zentrums für Konfliktprävention und Frühwarnung: Eine zweite Motivation hat mit dem Islamischen Staat zu tun und der Möglichkeit von Terrorangriffen in Europa. Das können wir nicht von der Hand weisen! Unter den Armutsmigranten können sich ISIS-Anhänger verstecken — aber das hat mit dem Kern des Migrationsproblems nichts zu tun und ist nur ein weiterer Grund, Migration radikal zu bekämpfen. Eine dritte Motivation hat mit dem Transit von westlichen Dschihad-Kämpfern via Irak nach Syrien und umgekehrt zu tun. Das ist vielleicht das wichtigste und am meisten diskutierte Anliegen der EU, denn um diese Migrationsströme dieser westlichen, vom ISIS ausgebildeten Dschihadis zu überwachen, ist ein besonderer Aufwand notwendig. Manche von ihnen könnten auf dem Weg aus oder nach Syrien und Irak auch Rumänien passieren“, befürchtet Chifu.
Rumänien ist zwar Teil der Koalition gegen den Islamischen Staat, stellt aber offenbar kein Ziel der terroristischen Organisation dar, so Versicherungen von Außenminister Bogdan Aurescu. Das Potenzial des Terrorismus zu ignorieren, kann sich aber niemand leisten — und deshalb muss auch Rumänien alle Sicherheitsvorkehrungen treffen.