Arbeiteraufstand von 1987 in Kronstadt jährt sich zum 35. Mal
In Rumänien wird am 15. November der 35. Jahrestag des Arbeiteraufstandes im südsiebenbürgischen Brașov (Kronstadt) begangen, der den Auftakt zur antikommunistischen Revolution von 1989 bildete.
Bogdan Matei, 15.11.2022, 15:12
Der Tag, der nicht in Vergessenheit gerät“ ist der Titel eines Buches, das zwei rumänische Zeithistoriker, Marius Oprea und Stejărel Olaru, dem antikommunistischen Arbeiteraufstand vom 15. November 1987 in Brașov (Kronstadt) gewidmet haben. Obwohl er brutal unterdrückt wurde, erschütterte der Aufstand die kommunistische Diktatur von Nicolae Ceaușescu und war, so sagen es die beiden Historiker, der Auftakt zur Revolution vom Dezember 1989, die nach fast 50 Jahren das von der sowjetischen Besatzungsarmee am Ende des Zweiten Weltkriegs an die Macht gehievte kommunistische Regime hinwegfegte.
In Moskau brach der letzte sowjetische Staatschef, der Reformer Michail Gorbatschow, mit der Tradition des von Lenin und Stalin errichteten Polizeistaates und versuchte, dem System durch die so genannte Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umstrukturierung) ein menschliches Antlitz zu verpassen. In Polen, das wie Rumänien nach dem Krieg ein Satellitenstaat der Sowjetunion geworden war, legte die Arbeitergewerkschaft Solidarność durch Proteste und Marathonstreiks ein kommunistisches Regime lahm, das noch immer behauptete, im Namen und zum Wohle der Arbeiter zu regieren.
Es ist kein Zufall, dass die Zornentladung der Arbeiter von Kronstadt ihren Ausgang auf einer der größten industriellen Plattformen der sozialistischen Republik nahm: Im düsteren Klima der späten 1980er Jahre, als die Versorgungsengpässe mit einer lückenlosen polizeilichen Überwachung und einem wahnhaften Personenkult um Ceaușescu einherging, war die Stimmung in der Bevölkerung äußerst bedrückt und angespannt.
Marius Boieriu, Vorsitzender des Kronstädter Vereins 15. November 1987“ erinnert sich, welche die Forderungen der aufständischen Arbeiter waren:
Wir haben buchstäblich Brot gefordert, damals war es rationiert, man erhielt es nur unter Vorweisen einer Lebensmittelkarte und nach stundenlangem Schlangestehen nach der Arbeitsschicht. Wir haben ein funktionierendes Fernwärmesystem für unsere kalten Wohnungen gefordert, wo wir und insbesondere die Kinder der älteren Arbeitskollegen im Winter frieren mussten. Ich war damals 20 Jahre alt. Und wir forderten Freiheit. Um all dem Nachdruck zu verliehen, skandierten wir »Nieder mit Ceaușescu!«. Während unseres Aufmarschs in Richtung Parteikreisrat sangen wir das Revolutionslied von 1848 Erwache, Rumäne“, in der Hoffnung, dass sich die Bürger der Stadt auf unsere Seite schlagen und auf die Straße gehen. Doch es sollte noch zwei Jahre dauern, bis die Menschen tatsächlich aus ihrer Ohnmacht erwachten. Es ist schwer, in wenigen Worten zu beschreiben, was wir damals durchmachen mussten.“
Nach dem Protest in den Fabriken stürmten die aufständischen Arbeiter den örtlichen Parteisitz und warfen Porträts von Ceaușescu und die roten Fahnen der kommunistischen Einheitspartei aus den Fenstern. In der Folge wurden rund 300 Demonstranten verhaftet und von der Securitate, der politischen Polizei des Regimes, unter Folter verhört. Offiziell wurden die Proteste als isolierte Fälle von Rowdytum“ eingestuft, und die Strafen gingen nicht über drei Jahre Gefängnis ohne Freiheitsentzug hinaus, eine relativ moderate Strafe im kommunistischen Strafgesetzbuch. Es wird auch eine Rolle gespielt haben, dass einige Tage nach den Unruhen Studenten in Brașov auf dem Campus ein Transparent mit der Aufschrift Verhaftete Arbeiter dürfen nicht sterben“ ausrollten, ein Zeichen dafür, dass die Unzufriedenheit über die Tore der Fabriken der Stadt hinausging und von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt wurde.
Zwei Jahre später setzte die Revolution von Dezember 1989 dem kommunistischen Regime ein Ende; der postkommunistische rumänische Staat tat sich allerdings Jahre danach noch schwer damit, die ehemalige Diktatur als verbrecherisch und unrechtmäßig zu verurteilen.