Antikorruption: Justizbehörden streben erweiterte Vermögensabschöpfung an
Bis vor kurzem endeten die Strafverfahren in Rumänien, und vor allem die großen Korruptionsprozesse, mit einer Verurteilung die als ausreichend angesehen wurde. Jetzt nehmen sich die Justizbehörden vermehrt zusäztliche Maßnahmen vor.
Florentin Căpitănescu, 21.10.2016, 18:49
In den letzten Jahren war die Antikorruptionsbehörde (DNA) die Speerspitze im Kampf gegen die in der rumänischen Verwaltung tief verwurzelte Korruption. Ihr gelang es den im Postkommunismus verlorenen Boden wieder gutzumachen. Und dabei geht es nicht nur um Imageverluste.
Die DNA hat unzählige Strafverfahren mit der Verhängung von Haftstrafen abgeschlossen – dabei kam die Gewissheit auf, dass niemand, unabhängig von der Bekanntheit, dem besetzten Amt, der politischen Couleur oder des Einflussbereichs über dem Gesetz steht. Oder doch?
Die vergangenen Jahre haben auch gezeigt, dass das Justizsystem nicht über die notwendigen Hebel verfügt, um den infolge der Straftaten entstandenen Schaden zu beheben. Und eben das würde für alle Beobachter, für Sachverständige und Durchschnittsbürger zugleich, das wahre Nachspiel des Justizaktes darstellen. Darüber sprach auch Rumäniens parteiloser Ministerpräsident Dacian Cioloş bei der Eröffnung der 6. Pan-Europäischen Konferenz der Europäischen Vermögensabschöpfungsstellen. Die Konferenz wurde von der Europäischen Kommission in Zusammenarbeit mit dem rumänischen Justizministerium organisiert.
Ein Justizakt sei unvollständig solange die illegal erlangten Vermögensgegenstände nicht verfallen, behauptete Cioloş. Der Regierungschef versicherte zudem, dass die neu gegründete Landesagentur für die Verwaltung sichergestellter Vermögensgegenstände bis zum Jahresende funktionsfähig sein werde. Auf die Geldsummen angesprochen, die abgeschöpft werden müssen, antwortete er:
Es ist die Rede von Geldsummen oder Vermögensgegenständen im Wert von über einer halben Milliarde Euro, die an den rumänischen Staat verfallen müssen. Wir haben beschlossen, dass die von der Landesagentur abgeschöpften Ressourcen in die Bildung, die Gesundheit und soziale Projekte fließen.
Im Rahmen der Konferenz europäischer Vermögensabschöpfungsstellen lobte Rumäniens Justizministerin Raluca Prună das aktuelle Justizsystem in hohen Tönen. Die Justiz sei heute reif, stabil und unabhängig, sagte die Ministerin und verwies auf die niedrige Quote der Freisprüche in Strafverfahren. Die aktuelle Zahl von 10% befände sich weit unter dem europäischen Schnitt, so Prună. Sie sprach abschließend auch andere Aspekte des Justizsystems an.
Für die Öffentlichkeit ist es heute keine Überraschung mehr, wenn sie erfährt, dass ein hoher Amtsträger, ein Minister oder Abgeordneter angeklagt und verurteilt wird. Die Fälle von organisierter Kriminalität, Steuerhinterziehung oder Geldwäsche enden nicht nur mit Verurteilungen sondern auch mit erheblichen Verfall-Maßnahmen.
Die konkrete Vermögensabschöpfung sei die nächste Aufgabe, die die Justizbehörden erfüllen müssten, erklärte Ministerpräsident Cioloş noch. Schließlich könne man in Rumänien die lukrative Unehrlichkeit als Arbeits- und Lebensweise nicht tolerieren“.