Amnestiegesetz wieder in der Debatte
Die rumänischen Haftanstalten stehen immer noch in der Kritik der Menschenrechtsorganisationen. Unterdessen vermehren sich die Stimmen, die behaupten, dass die Begnadigungspläne der PSD das Problem nicht lösen würden
Bogdan Matei, 11.05.2017, 15:49
Seit Jahresbeginn steht das Thema der Amnestie im Mittelpunkt öffentlicher Debatte in Rumänien. Das vor kaum einem Monat ins Amt eingeführte Kabinett der Sozial-Demokraten PSD und der Allianz der Liberal-Demokraten ALDE hatte im Januar versucht, mit einer per Eildekret verabschiedeten kollektiven Amnestie eine Lösung für die Auslastung in den rumänischen Haftanstalten zu finden. Das Dekret, von dem auch korrupte Politiker profitiert hätten, löste bekanntlich Massenproteste und heftige Kritik seitens der Zivilgesellschaft aus. Infolge der größten Proteste in der modernen Geschichte des Landes sowie der schweren Kritik aus den Reihen der Medien, der Opposition und der ausländischen Botschaften, nahm das Kabinett des Ministerpräsidenten Sorin Grindeanu das umstrittene Dekret zurück und Justizminister Florin Iordache reichte seinen Rücktritt ein.
Da die rumänischen Haftanstalten immer noch in der Kritik der Menschenrechtsorganisationen stehen und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrmals die menschenunwürdigen Zustände im rumänischen Strafvollzug kritisierte, legte die Regierung das Thema der Begnadigung unlängst dem Parlament zur Debatte vor. Die Debatten um die Begnadigungspläne der Regierung führten zum Rücktritt des amtierenden sozial-demokratischen Vorsitzenden des Rechtsausschusses im Senat, Şerban Nicolae. Der Parteivorsitzende Liviu Dragnea hat seinen Parteikollegen wegen dessen zunächst gebilligten und danach zurückgenommenen Vorschläge zur Begnadigung von Korruptionsdelikten scharft kritisiert.
Der Gesetzentwurf sei, in der von seinen Senatskollegen verabschiedeten Form unwiksam gewesen, da er das Problem der Überfüllung der Haftsanstalten nicht löse und weder den Bedürfnissen der Gesellschaft noch den Verpflichtungen Rumäniens gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nachkomme, sagte hingegen Nicolae. Nur 1.032 Menschen wären die Bestimmungen der besagten Gesetzesvorlage zugute gekommen, erläuterte im Anschluß der ehemalige Vorsitzende des Rechtsausschusses im Senat.
Eine Position zu diesem Thema nahm auch der ehemalige Staatschef und Senator der Volksbewegung PMP Traian Băsescu ein. Die Sozial-Demokraten und deren Parteichef Liviu Dragnea hätten das Thema der Amnestie liegen lassen, infolgedessen sehe er sich gezwungen, ohne die Unterstützung seiner Partei, die Begnadigung zu befürworten. Eine breite Amnestie sei in Rumänien erforderlich, die Begnadigungspläne der PSD hätten die Haftentlassung von 433 Menschen und die Reduzierung der Haftstrafe für weitere 589 ermöglicht, fügte Băsescu hinzu. Der Ex-Staatschef warf im Anschluß Dragnea vor, er möchte seine Gegenüber begnadigen”, gemeint wären: Hauseinbrecher, Taschendiebe im Bus, wer Hausfriedensbruch begeht, vom Hof des Nachbarn klaut, Geld vom Budget der Handelsgesellschaften stiehlt”. Băsescu verspricht hingegen, die Haftentlassung von Ärzten, Professoren und Beamten zu befürworten, also den Gefangenen, die über hohe Ausbildung verfügen” und in Haft sitzen, weil sie Bestechungsgeld angenommen haben. Nachdem er den Kampf gegen Korruption zum Hauptanliegen seiner Amtszeiten erklärt hatte, lässt der ehemalige Präsident jetzt seine Anhänger bereuen, ihm ihre Stimme gegeben zu haben, stellen einige Kommentatoren kritisch fest.