Hörerpostsendung 17.8.2014
Heute u.a. mit der Beantwortung von Hörerfragen von Andreas Pawelczyk, Herbert Jörger und Bernd Seiser.
Sorin Georgescu, 17.08.2014, 15:30
Heute möchte ich in erster Linie einen Teil der Hörerfragen beantworten, die wir in den letzten Wochen erhalten haben.
Andreas Pawelczyk (aus Mannheim) hört uns, wann immer es geht, durchforstet aber auch oft unsere Homepage und ist generell an Osteuropa und Rumänien interessiert. Er schrieb uns im Zusammenhang mit gehörten Sendungen oder gelesenen Artikeln auf unserem Webauftritt:
Ich bin über eine ältere deutsche Zeitung an eine Statistik rangekommen, in der berichtet wird, dass Rumänien im Jahre 2012 mit einem Durchschnittsfernsehkonsum pro Tag von 326 Minuten in der EU Spitzenreiter ist. Wenn das so ist, kann man auch nur mit dem Kopf schütteln. Es ist deshalb auch kein Wunder, dass in Rumänien das Buchlesen nicht ankommt, wenn man so viel Zeit vor der „Glotze” verbringt.
Könnten Sie vielleicht unseren Hörern und mir vielleicht erklären, was man da so alles anteilmäßig im Fernsehen anschaut. Ich denke, dass in Rumänien das Ansehen von „Seriösen” doch die Mehrheit hat.
Sehr interessant fand ich bei Ihnen zwei Artikel zum Thema Rumänien im 2. Weltkrieg. Warum? Zeigte dies doch eine Verschiedenheit der Bevölkerung in 2. Weltkrieg auf. Auf der einen Seite kämpften etwa 300.000 Rumänen bei Stalingrad als Verbündete auf deutscher Seite und auf der anderen Seite machten rumänische Linksintellektuelle in der französischen Resistance mit, in der Hoffnung, für eine bessere Welt zu kämpfen.
An diese Informationen kommt man nicht gerade einfach ran, denn selbst in dicken deutschen Büchern über die Nazizeit von Naziforschern ist dies kein Thema. Warum dies so ist, weiß ich leider auch nicht.
Deshalb kann man Sie nur loben, uns Hörern solche Infos bieten zu können.
Vielen Dank für Ihr Interesse, lieber Herr Pawelczyk. Ich fange mal mit Ihrer letzten Bemerkung an. Es ist nun mal so, dass sich deutsche Historiker und Forscher der Nazi-Zeit eher auf die Ereignisse konzentrieren, die unmittelbar mit Deutschland etwas zu tun hatten, selbst wenn Rumänien ein Verbündeter Nazi-Deutschlands war. Trotzdem werden bestimmte Aspekte der damaligen Jahre manchmal berücksichtigt, vor allem in der Südosteuropaforschung, die im deutschsprachigen Raum (insbesondere in Deutschland und Österreich) eine gewisse Tradition hat. Die Ergebnisse werden in den einschlägigen Fachpublikationen veröffentlicht. Ich habe aus Neugier über Google deutschsprachige Buchtitel gesucht, in deren Inhalt die Wörter Rumänien“, Nazi-Deutschland“ und Verbündete“ vorkommen. Ich erwähne hier die ersten drei Titel, die tatsächlich einen starken Bezug zum Thema haben. Das sind natürlich nur die Ergebnisse, die Google findet, in Fachkreisen dürften bestimmt viele andere Titel relevant sein, aber vielleicht sind auch diese drei Bücher ein interessanter Lesetipp: Siebenbürgen zwischen den beiden Weltkriegen“ (von Walter König, Böhlau-Verlag, 1994), Das nationalsozialistische Deutschland und die deutsche Volksgruppe in Rumänien 1936-1944: das Verhältnis der deutschen Volksgruppe zum Dritten Reich und zum rumänischen Staat sowie der interne Widerstreit zwischen den politischen Gruppen“ (von Joachim Böhm, Lang, 1985) und Jüdisches Städtebild Czernowitz“ (Herausgeb.: Andrei Corbea-Hoişie, Jüdischer Verlag, 1998).
Zum Thema Fernsehkonsum in Rumänien: Ich habe in einem Artikel der rumänischen Nachrichtenagentur Mediafax eine ähnliche Meldung aus dem Jahr 2013 gefunden – dort wird Rumänien für das Jahr 2012 tatsächlich als Spitzenreiter mit 5 Stunden und 30 Minuten täglichen Fernsehkonsums pro Kopf angeführt, gefolgt von Griechenland mit 4 Stunden und 33 Minuten und Spanien mit 4 Stunden und 6 Minuten. Die Studie Une année de télévision dans le monde“ (Ein Jahr Fernsehen in der Welt) wurde vom französischen Institut für Medienkonsummessung Médiamétrie“ durchgeführt. Generell habe weltweit der Fernsehkonsum um eine Minute im Vergleich zu 2011 zugenommen, allein in Europa um 7 Minuten, der europäische Durchschnitt lag bei 3 Stunden und 55 Minuten. In den USA blieb der durchschnittliche Fernsehkonsum mit knapp 5 Stunden konstant. In Europa habe der Fernsehkonsum insbesondere in den von der Krise am meisten betroffenen Ländern zugenommen, so die Studie weiter, allerdings sei das Jahr 2012 auch ein Jahr sportlicher Super-Events weltweit gewesen. So etwa habe die Eröffnungszeremonie des Londoner Olympias auch in den USA 42,5 Mio. Zuschauer vor dem Bildschirm gefesselt, 112 Mio. Amerikaner haben die Super-Bowl-Gala (das Finale der American-Football-Liga) verfolgt und 192 Mio. Chinesen schauten der Übertragung des chinesischen Frühlingsfestes zu.
Derselben Studie zufolge gehörten zu den weltweit meistgesehenen TV-Sendungen 41% der Unterhaltungssparte an, 38% entfielen auf die Kategorie Fiction. Zu den erstgenannten gehören Pop-Nachwuchstalente suchende Shows wie The Voice“ oder Land XY sucht den Superstar“ (in der jeweiligen nationalen Fassung und der entsprechenden Bezeichnung). In Osteuropa seien exotische Seifenopern im starken Zuwachs, so etwa haben türkische Serien wie Fatmagül“ oder Soliman der Prächtige“ in der Slowakei, Kroatien, Bulgarien, der Ukraine und Russland im Jahr 2012 bis zu 60% mehr Zuschauer als 2011 erreicht.
Ebenfalls im Februar 2012 hat das Marktforschungsunternehmen Mercury Research im Auftrag des populärwissenschaftlichen Senders Discovery Channel eine Meinungsumfrage zum Medienkonsumentenverhalten in Rumänien durchgeführt. Die Ergebnisse werden in einem rumänischen Medienblog namens Mediaaddict zitiert. Befragt wurde eine repräsentative Gruppe von knapp 650 Frauen und Männern im Alter von 18-49 Jahren aus dem städtischen Milieu, die eigenen Angaben nach mindestens einmal im Monat fernsehen und – im Sinne des Auftraggebers – mindestens einmal pro Woche Discovery Channel einschalten. 90% der Befragten sagten, sie würden täglich fernsehen, ebenso viele meinten, Fernsehen würde ihnen helfen, auf dem Laufenden zu bleiben, 85% würden sich Zugang zu Information verschaffen, 74% schalteten die Flimmerkiste ein, um sich zu entspannen, 65% hätten Neuigkeiten aus dem Fernsehen erfahren und 44% gaben zum besten, sie hätten vor der Glotze eine Fremdsprache erlernt.
Ein weiterer rumänischer Medienblog veröffentlichte nach Sendern gelistete Einschaltquoten in der Primetime für die Monate Januar und Februar 2014. Auf den ersten drei Plätzen rangieren private kommerzielle Sender: Pro TV (mit über 1 Mio. zugeschalteten Zuschauern in der Zeit 19 bis 23 Uhr und 10,2% Einschaltquote), Antena 1 (mit 681.000 Zuschauern und 6,5% Quote) und Kanal D (412.000 Zuschauer und 3,9% Rating). Der zuletzt genannte Sender konnte durch die Ausstrahlung der bereits erwähnten Soap Opera Soliman der Prächtige“ (über den osmanischen Sultan Süleyman I.) zulegen, der Sender wird auch mit türkischem Kapital finanziert. Weit abgeschlagen lagen die öffentlich-rechtlichen Sender TVR 1 und TVR 2. Sie kamen auf Platz 9 und 11 mit 128.000 bzw. 118.000 Zuschauern und einer Einschaltquote von 1,2% bzw. 1,1%. Das waren die Zahlen für Primetime, im Tagesdurchschnitt sieht es ähnlich aus, dieselben kommerziellen Privatsender belegen die ersten Plätze, die öffentlich-rechtlichen TVR 1 und TVR 2 rutschen hier noch weiter nach unten in der Liste und zwar auf die Plätze 10 und 12.
Damit hoffe ich, Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben, lieber Herr Pawelczyk.
Passend zum vorgestrigen Feiertag fragte uns Herbert Jörger (aus Bühl, Baden-Württemberg):
Werden in der Orthodoxen Kirche von der Bevölkerung zu Mariä Himmelfahrt auch große Blumenbüschel gesammelt und geweiht?
Vielen Dank für die Frage, lieber Herr Jörger. Mariä Himmelfahrt ist auch in Rumänien gesetzlicher Feiertag, im Volksmund wird der Tag Großes Marienfest genannt, im Unterschied zum Kleinen Marienfest, das am 8. September als Tag der Geburt der Heiligen Jungfrau Maria begangen wird und auf Apokryphen zurückgeht, also auf überlieferte religiöse Literatur, die nicht in den Kanon heiliger Literatur aufgenommen wurde. Mariä Himmelfahrt wird im orthodoxen Sprachgebrauch als Entschlafen der Muttergottes“ bezeichnet, abgesehen von der Kirchenmesse gibt oder gab es verschiedene Volksbräuche, die von Region zu Region unterschiedlich sein können. Auf einer Webseite praktizierender orthodoxer Christen werden folgende Bräuche und Volksglauben aufgezählt: Am Morgen des 15. August versammeln sich die Frauen in der Dorfkirche und teilen Trauben, Pflaumen und Honigwaben aus. Anschließend gehen sie zum Friedhof und weihräuchern die Gräber der verstorbenen Verwandten. Die Hirten treiben die Schafe von den Bergweiden herunter, dabei ersetzen sie ihre Mützen gegen Hüte. Zu den Tabus an diesem Tag gehörten das Baden in Flüssen oder Teichen, aus denen Hirsche trinken, und das Schlafen in der Veranda oder anderen Anbauten des Hauses. Mädchen trugen eine Pflanze namens Hirschzungenfarn bei sich – dem Gewächs wurde die magische Kraft zugetraut, in Bälde einen Bräutigam zu bringen. Blühten um Mariä Himmelfahrtstag herum die Rosen, glaubte man, dass ein langer Herbst folgt. An diesem Tag stellten Winzer und Obstbauern Wächter an und ebenfalls am 15. August begann die Hochzeitssaison im traditionellen Dorf, die bis zur Fastenzeit vor Weihnachten anhielt. Die Zeit vom Großen bis Kleinen Marienfest (also vom 15. August bis 8. September) galt auch als die günstigste Zeit fürs Anlegen der Herbstsaat. In dieser Zeit wurden auch die letzten Heilpflanzen gesammelt.
Zum Schluss noch die Antwort auf eine Frage, die uns erneut zum Radiofernempfang bringt. Bernd Seiser (Ottenau, Baden-Württemberg) interessiert sich für den Empfang des Ferienfunks von Radio Constanţa:
Lieber Sorin,
kürzlich fragte mich ein Freund unseres Hörerclubs nach den deutschsprachigen Mittelwellenprogrammen von Radio Vacanţa.
Wurden diese inzwischen eingestellt, denn von den deutschsprachigen Programmen aus Rumänien habe ich neben den bekannten Kurzwellen von Radio Rumänien International nur diese Angaben gefunden:
Das Programm von Radio Vacanţa ist auch im aktuellen Hörfahrplan nicht mehr gelistet, aber vielleicht ist da eine Programmübernahme bei den aufgeführten Programmen von City R Sathmar, Radio Neumarkt, Radio Reşiţa oder bei Radio Timişoara dabei?
Lieber Bernd, da habe ich leider eine schlechte Nachricht für Deinen Freund und Mittelwellenhörer. Der Ferienfunk (Radio Vacanţa) sendet nur noch auf UKW und ist somit nur noch regional auf 100,1 MHz an der Schwarzmeerküste zwischen Constanţa und Mangalia sowie auf 106,2 MHz im Donaudelta (Region Sulina) zu empfangen. Selbstverständlich gibt es auch einen Livestream im Internet, das dürfte aber nur schwacher Trost für Freunde des Rundfunkfernempfangs sein. Nach der Wende gab es noch Sendungen in Fremdsprachen bis einschließlich 1995 und 1997 wurden auch die rumänischen Programme eingestellt. Nach einer Unterbrechung von 11 Jahren wurden die Sendungen von Radio Vacanţa 2008 wieder aufgenommen. Die Nachrichten in Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Russisch wurden während der Sommersaison von den Redakteuren des Auslandssenders in Bukarest (also von uns) übersetzt und eingesprochen und anschließend nach Constanţa überspielt. Dabei handelte es sich überwiegend um Info für Touristen und Hinweise auf Kulturveranstaltungen, Sportereignisse oder Konzerte sowie die Wetteransage. Dieses Jahr hat man auf unseren Beitrag verzichtet, ob nun jemand anders vor Ort diese Aufgabe übernommen hat oder dieses Jahr überhaupt keine Nachrichten in Fremdsprachen produziert werden, konnte ich nicht erfahren.
Auf einem unserer FTP-Server habe ich die letzten Nachrichten vom Vorjahr, genauer gesagt vom 31. August 2013 entdeckt, für neugierige Ohren biete ich hier einen ca. zweiminütigen Zusammenschnitt von Fragmenten aus den Nachrichten in den fünf genannten Sprachen.
Nachrichten-Mix vom Ferienfunk (31.8.2013) hören: |
Damit Zeit für die Posteingangsliste. Herkömmliche Schneckenpost lag diese Woche nicht in der Ablage. E-Mails erhielten wir bis Sonntagmittag von Bezazel Ferhat (Algerien), Dewan Rafiqul (Bangladesch) sowie von Günter Jacob, Anna und Bernd Seiser, Martina Pohl, Dieter Feltes, Andreas Mücklich, Siegbert Gerhard, Sebastian Arndt, Herbert Jörger, Hendrik Leuker, Klaus Köhler und Norbert Hansen (alle aus Deutschland). Im Online-Formular hinterließ Ronny Weiner (aus Deutschland) seinen Empfangsbericht.
Audiobeitrag hören: