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Hörerpostsendung 2.3.2014

Heute u.a. mit Informationen über die rumänische Volksgruppe in der Ukraine.

Hörerpostsendung 2.3.2014
Hörerpostsendung 2.3.2014

, 02.03.2014, 15:30

[Vorstellung der QSL 2 / 2014.]


Passend zu den dramatischen Ereignissen in der Ukraine erhielten wir eine Frage von Hans Verner Lollike aus Dänemark:



In Ihren Sendungen wurde erwähnt, dass bis zu 500.000 Rumänen in der Ukraine leben. Sind sie organisiert? Gibt’s Unterricht in der Muttersprache?



Vielen Dank für die Frage, lieber Herr Lollike. Tatsächlich haben wir in unseren Sendungen mehrfach die Situation der rumänischen Volksgruppe im Nachbarland Ukraine erwähnt. Zuletzt nachdem das Kiewer Parlament das Gesetz aufgehoben hat, das Minderheitensprachen als Regionalsprachen anerkannte. Die Ma‎ßnahme war wohl im nationalistischen Eifer gegen die Dominanz der russischen Sprache im Osten des Landes gedacht, sie trifft aber auch andere Minderheiten im Land, darunter die Rumänen. Eine genaue Zahl der Rumänen und/oder rumänischsprachigen Menschen in der Ukraine ist nur schwer zu ermitteln und die Ergebnisse des ukrainischen Zensus von 2001 müssen auch mit einer gewissen Vorsicht genossen werden. Da aber andere Zahlen nicht verfügbar sind, muss ich eben auf diese zurückgreifen. Zum einen wird zwischen Rumänen und Moldauern unterschieden. Dies ist z.T. der sowjetischen Zeit verschuldet, als die These von einem moldauischen (moldawischen) Volk mit einer eigenen Sprache fabriziert wurde. Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass sich unter den Rumänischsprachigen viele Menschen als Moldauer, andere wiederum als Rumänen bezeichnen, den ukrainischen Behörden könnte diese Trennung aber auch gepasst haben. Denn: Würde man Moldauer und Rumänen zusammenzählen, wären sie die drittgrö‎ßte ethnische Gruppe nach den Ukrainern und den Russen. So rangieren sie an 4. bzw. 8. Stelle. Wie auch immer: Im Zensus von 2001 werden im Abschnitt Nationalitätenstruktur 258.600 Moldauer und 151.000 Rumänen angeführt. Zusammen wären das theoretisch also knapp 410.000 Menschen, die Rumänisch als Muttersprache haben. Nur gibt es in den Ergebnissen der Volkszählung einen weiteren Abschnitt mit der Überschrift Sprachenstruktur. Dort ist zu lesen, dass 70% der Menschen, die sich als Moldauer bezeichneten, ihre Muttersprache beherrschen würden, 10,7% von ihnen würden Ukrainisch als Muttersprache verwenden, 17,6% Russisch und 1,7% gar eine andere Sprache. Unter den Menschen, die sich als Rumänen bei der Volkszählung bezeichneten, gaben hingegen 91,7% an, Rumänisch als Muttersprache zu haben, nur 6,2% würden Ukrainisch, 1,5% Russisch und 0,6% eine andere Sprache im Alltag sprechen.



Die meisten Rumänen in der Ukraine leben in den an Rumänien und der Moldaurepublik angrenzenden Gebieten: in der Oblast Czernowitz (44,3% aller Rumänen in der Ukraine und etwa 20% der örtlichen Gesamtbevölkerung), in der Oblast Odessa (30,2% aller Rumänen), in Transkarpatien (7,8%), Mykolajiw (russ. Nikolajew) (3,21%) und Kirowohrad (2,02%). Die restlichen 12,32% der Rumänen leben zerstreut in der ganzen Ukraine. Der Anteil der Rumänen an der Gesamtbevölkerung den jeweiligen Regionen und Gemeinden ist recht unterschiedlich, in einigen, an Rumänien und der Moldaurepublik angrenzenden Gebieten ist er sehr hoch, beispielsweise stellen die Rumänen im zu Czernowitz gehörenden Rajon Herza mit 93,7% der Gesamtbevölkerung die absolute Mehrheit.



Die Rumänen in der Ukraine sind in verschiedenen Kulturvereinen organisiert, ein WordPress-Blog über rumänische Gemeinschaften in den Nachbarländern berichtet, dass allein in Transkarpatien fünf verschiedene Vereine aktiv seien. Gleichzeitig wird aber bemängelt, dass einige dieser Vereine nur auf Papier existieren würden und von ihrer Aktivität kaum etwas bekannt sei. Eine jüngere Reportage von RFI ergab, dass es insgesamt ca. 40 rumänische Vereine in der Ukraine gibt, doch würde mehr als die Hälfte davon überhaupt keine Aktivität haben oder sie bestünden allein aus einem Vorsitzenden und einem Stempel. Meistens handle es sich also um Ein-Mann-Vereine, deren Vorsitzende seit 20 Jahren ein sogenanntes Ethno-Business betreiben würden. Das hei‎ßt konkret, sich bei den Behörden in Bukarest über eine vermeintliche Unterdrückung der Rumänen durch den ukrainischen Staat zu beklagen, um Geld für fiktive Projekte zu bekommen, so die Informationen, die dem RFI-Journalisten Laurenţiu Diaconu-Colintineanu während seiner Reise ins Nachbarland zugetragen wurden.



Eine politische Partei auf ethnischer Basis haben die Rumänen in der Ukraine nicht, es gibt aber einen rumänischstämmigen Abgeordneten im Kiewer Parlament. Ion Popescu ist ein Vertreter der Rumänen aus der Region Czernowitz und kandidierte in den vergangenen Jahren stets für Janukowitschs Partei der Regionen, aus der er inzwischen aber ausgetreten ist. Der Mann ist umstritten, generell hielten sich die Rumänen in der Ukraine aber eher fern von politischen Disputen oder stimmten für die jeweilige Regierungspartei. Kenner der Situation erachten diese Zurückhaltung als Umsichtigkeit der Rumänen, um ihren Status als Minderheit nicht zu gefährden oder um Attacken ukrainischer Nationalisten zu vermeiden. Eine andere Erklärung sieht die Haltung der Orthodoxen Kirche in den rumänischen Dörfern als Ursache. Die Priester, die dem Moskauer Patriarchat untergeordnet sind, sollen in ihren Predigten für Janukowitsch und seine Partei geworben haben, um sich als Gegenleistung der präferentiellen Finanzierung dieser Kirchen vom Staat zu erfreuen.



Die Lage der rumänischen Minderheit in der Ukraine hat sich in den letzten Jahren aber objektiv verschlechtert, die Zahl der Schulen mit muttersprachlichem Unterricht hat in den letzten 20 Jahren dramatisch abgenommen. RFI berichtet im erwähnten Artikel von 89 Schulen mit Unterricht in Rumänisch im Jahr 1991 in der Region Czernowitz. Heute seien es nur noch 70. Auch der Sender Stimme Russlands“ erwähnt in einem rumänischsprachigen Artikel auf seiner Homepage 100-200 rumänische Schulen und ein Gymnasium, die es zu Zeiten der Sowjetunion in der Oblast Czernowitz gegeben habe, und der Autor behauptet weiter, die meisten Schulen seien ab 2004 auf persönliche Anordnung Julia Timoschenkos geschlossen worden. Diese Behauptung würde ich mit etwas Vorsicht genie‎ßen, die plötzliche Besorgnis Moskaus um die rumänischstämmige Bevölkerung in der Ukraine ist ohnehin eine Ironie an sich. Au‎ßerdem kann der Rückgang des Unterrichts in rumänischer Sprache teilweise auch auf andere Ursachen zurückgeführt werden. In einem älteren Artikel in der moldauischen Zeitung Timpul“ kommt ein Rumäne aus der Region Ismail im Südwesten der Ukraine zu Wort. Er beklagt den Verfall der Rumänischkenntnisse in seiner Heimatregion und erklärt das mit der Erkenntnis, dass viele Eltern ihre Kinder auf Schulen mit Unterricht in Ukrainisch schicken, weil sie der Meinung sind, die Kinder hätten so bessere Berufschancen im späteren Leben.



Ein Erstarken des ukrainischen Nationalismus ist nicht von der Hand zu weisen und ebenso die Tatsache, dass selbst das aufgehobene Minderheitensprachengesetz in Wirklichkeit unter verschiedenen Vorwänden nicht umgesetzt worden war. Zwar gibt es zum Teil zweisprachige Ortsschilder und Beschriftungen, doch offizielle Dokumente in rumänischer Sprache und die Möglichkeit, sich im Behördenverkehr des Rumänischen zu bedienen, gab es trotzdem nicht.



Die Situation in der Ukraine ist auf jeden Fall kompliziert und unstabil. Der neue ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk hat gleich nach der Amtsübernahme versichert, dass die Ukraine die Rechte aller Minderheiten respektieren werde. Der Parlamentsvorsitzende Oleksandr Turtschinow ordnete seinerseits die Gründung einer Arbeitsgruppe an, die im Eiltempo ein neues Sprachengesetz erarbeiten soll. Man wolle damit Spekulationen“ entgegenwirken, wird Turtschinow vom Nachrichtenportal www.chernivtsinews.com zitiert. Das Portal veröffentlicht seit Dezember 2013 Nachrichten überwiegend auf Ukrainisch und einige Artikel auch auf Rumänisch. Chefredakteur ist übrigens ein Politikwissenschaftler und Journalist rumänischer Abstammung namens George Bodnaraş. Auf einem weiteren unabhängigen Portal (www.moldova.org) ist ein interessantes Interview mit ihm zu lesen. Darin erläutert er die aktuelle Lage in der Ukraine, die Situation der rumänischen Volksgruppe ebendort und verrät sein Vorhaben, das Nachrichtenportal ChernivtsiNews“ künftig auch komplett auf Rumänisch anzubieten, möglicherweise auch einen englischsprachigen Abschnitt.



Damit habe ich die Sendezeit eigentlich schon überschritten. Zum Schluss ganz geschwind die Posteingangsliste. Die herkömmlichen Briefe lese ich bis kommenden Sonntag durch. E-Mails erhielten wir bis Samstagnachmittag von Klaus Karusseit aus Schweden, Georg Pleschberger aus Österreich sowie von Petra Kugler, Werner Simmet, Hans Kaas, Herbert Jörger, Reinhard Westphal, Horst Kuhn und Hans-Joachim Pellin (alle aus Deutschland).



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