Hörerpostsendung 15.12.2013
Heute mit einem historischen Überblick über die Herstellung von Radioempfängern in Rumänien – Teil I (1925-1960).
Sorin Georgescu, 15.12.2013, 20:03
Für heute und nächsten Sonntag habe ich mir etwas Besonderes vorgenommen. Aufgrund einer Hörerfrage bin ich bei meinen Recherchen auf sehr interessante Informationen und reichhaltiges Quellenmaterial gestoßen, deren Bearbeitung und Präsentation den Zeitrahmen eines einzigen Funkbriefkastens restlos sprengen würde.
Herr Wolfgang Waldl (aus Wien) schrieb uns per Post einige Zeilen, die als Nachtrag zum Hörertag 2013 gedacht waren:
Die vielen zitierten Zuschriften zum Thema Zukunft des Auslandsrundfunks waren sehr interessant und aufschlussreich. Sie waren auch ein Zeugnis für das hohe Niveau ihrer Hörergemeinde.
Ein Umstand scheint mir noch wichtig zu sein, da er bisher unerwähnt wurde. Es gibt am Markt kaum mehr gute, leistungsstarke und dabei preiswerte Weltempfänger. In den großen Elektromärkten ist das Angebot sehr mager und Fachgeschäfte gibt es kaum mehr.
Ihre Hörer verfügen sicher über gute Apparate, aber was soll ein junger Hörer kaufen, wenn er sich für den Radio-Empfang auf Kurzwelle interessiert? Mich würde interessieren, ob es in Rumänien eine Radioindustrie gab oder noch gibt und welche Fabrikate dort angeboten werden.
Vielen Dank für Ihr Interesse, lieber Herr Waldl. Meine Recherche war wie gesagt so ertragreich, dass ich die Ergbenisse splitten muss. Den ersten Teil über die Herstellung von Radiogeräten in Rumänien gibt es jetzt, den zweiten am nächsten Sonntag, übrigens im letzten Funkbriefkasten in diesem Jahr. Als Quellen für die hier gennannten Informationen dienten mir eine rumänische Online-Enyzklopädie, der Internetauftritt der rumänischen Radiogeräte-Sammler (www.proradioantic.ro), die persönliche Webseite eines rumänischen Sammlers (www.retroradio.ro), die Webseite des Rumänischen Rundfunks (www.srr.ro), unsere eigene Homepage (www.rri.ro) und die Webseite www.radiomuseum.org. Sofern wir Fotos über die erwähnten Modelle von Radiogeräten aus Urheberrechtsgründen hier nicht abbilden dürfen, führen die mit Blau verlinkten Bezeichnungen zu anderen Webseiten, wo die Abbildungen betrachtet werden können.
Heute soll es um die Zeit von 1925 bis 1960 gehen, nächsten Sonntag von 1960 bis 1990 und einige Jahre darüber hinaus.
DIE ANFÄNGE (1925-1928)
AUFSCHWUNG IN DER ZWISCHENKRIEGSZEIT
Die Umsätze von Philips nahmen in dieser Zeit kontinuierlich zu, die in Rumänien zusammengebauten Radioempfänger wurden auch in die Balkanländer und nach Mitteleuropa geliefert. Zwei weitere Werkstätten wurden 1934-1936 eröffnet, die insgesamt 200 Angestellte hatten. 1939 war ein Spitzenjahr, etwa 10.000 Radiogeräte wurden in diesem Jahr bei Philips in Rumänien hergestellt. Allerdings wurden die Bauteile nicht in Rumänien hergestellt, sondern samt technischer Dokumentation aus Holland herübergebracht, die Produktion überwachten ebenfalls holländische Ingenieure.
KRIEG UND PRODUKTIONSRÜCKGANG
In der Zeit 1935-1945 funktionierte auch in der westrumänischen Stadt Arad eine Radiowerkstatt namens AFA (Atelier Flesch Arad). Die hier gebauten Geräte kamen unter dem Namen Admira“ auf den Markt und konnten sowohl mit Wechselstrom aus der Steckdose als auch mit Batterien betrieben werden. Etwa 500 Geräte im Jahr wurden hergestellt, bis Kriegsanfang waren es rund 2.000. Von 1940 bis 1945 waren die Importe von Bauteilen eingestellt, so dass sich die Werkstatt mit der Herstellung von elektrotechnischen Teilen wie Widerstände, Spulen und Kondensatoren über Wasser halten musste.
FRÜHE NACHKRIEGSZEIT UND ERSTE ORIGINAL RUMÄNISCHE GERÄTE
Am 11. Juni 1948 wurden sämtliche Fabriken, Unternehmen und Handelsgesellschaften verstaatlicht, darunter auch Philips, Radiomet, Starck und Tehnica Medicală (das technische Ausrüstungen für den medizinischen Bereich herstellte). Diese vier Werke wurden zum staatlichen Betrieb Radio Popular“ vereint, der im Jahr darauf die Produktion von Radiogeräten aufnahm. Die meisten Volksempfänger“, die die Werkstatt bis ca. 1960 verließen, waren aus Bauteilen hergestellt, die man aus der Sowjetunion, der ČSSR, der Volksrepublik Ungarn oder der DDR importierte.
Ein Jahr später entstand eine weiteres Modell namens S 503 A Pionier, das sich nur wenig von seinem Vorgänger unterschied – der runde Knopf für die Wellenlänge wurde durch einen Schalthebel ersetzt und die Senderskala war quadratisch. | |
S 503 A Pionier (1950)
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Im Jahr 1951 wurde der erste Radioapparat hergestellt, dessen Bauschema zur Gänze in Rumänien konzipiert war – die Bauteile des S 513 A Dunărea stammten allerdings immer noch aus dem Import. Die Senderskala war diesmal auf dem Deckel zu finden, die Bedienungsknöpfe sowohl an der Vorderfront als auch an den Seiten. Aus dem selben Jahr stammen auch die Modelle S 511 A Partizan und S 512 U Orion. Im Jahr 1953 kam der erste batteriebetriebene Empfänger auf den Markt, es handelte sich dabei um das Modell S 531 B Alianţa.
Beginnend mit 1954 stellten die Werke von Radio Popular auch 100%-ig in Rumänien konzipierte Bauteile her: Lautsprecher mit Metallmagnet, Trafos für Netzteile, Audiobüchsen, Chassis, Magnete, Potentiometer, Spulen, Kondensatoren, Sockel für Röhren u.a.m. 1957 wurde eine neue Produktionshalle mit zwei 70 m langen Fließbändern eingerichtet. Die Fließbandproduktion schlug sich sofort in den Produktionszahlen nieder. Waren im Jahr 1956 noch knapp 65.000 Geräte hergestellt worden, verließen im Folgejahr 1957 fast doppelt soviel die Produktionsstätte – knapp 112.000 Stück. Bis 1960, als insgesamt etwa 170.000 Geräte das Werk verließen, wurden knapp 30 weitere Modelle auf den Markt gebracht, darunter auch sogen. Musiktruhen mit Plattenspieler und Radio wie z.B. das 1959 hergestellte Bucureşti 500.
Grafik zur Herstellung von Radiogeräten in Rumänien (1948-1960):
Quelle: http://www.enciclopediaromaniei.ro/wiki/Radioreceptoare_româneşti |
Soviel im ersten Teil zur Geschichte der Herstellung von Radiogeräten in Rumänien. Nächsten Sonntag gibt es wie angekündigt den zweiten Teil über die Geschichte der Radiogeräte made in Romania“. Beide Teile werden in einem einzigen Artikel zusammengefasst auch in der Nostalgieecke zu lesen sein.
Vielen herzlichen Dank für das Einscannen und Zuschicken des Bildes, lieber Herr Renkwitz, es wird selbstverständlich seinen wohlverdienten Platz in unserer Nostalgieecke einnehmen.
Zeit für die Posteingangsliste. Briefe erhielten wir von Johann Ruff (aus Mühlhleim am Main, Hessen – danke auch für den Artikel aus dem Spiegel“ über den umweltbewussten rumäniendeutschen Bürgermeister im siebenbürgischen Städtchen Avrig/Freck), Günter Gärtner (Löbau, Sachsen), Wolfgang Kühn (Rudolstadt, Thüringen), Jürgen Hannemann (Krefeld), Gerolf Tschirner (Landshut) und Bernhard de Bache (Geilenkirchen, NRW).
Ein Fax mit Adventsgrüßen erhielten wir von Günter Spiegelberg (Güstrow, Mecklenburg-Vorpommern).
E-Mails erhielten wir bis einschließlich Sonntagmittag von Gérard Koopal (NL), Georg Pleschberger (A), Siegbert Gerhard, Ana Seiser, Klaus Nindel, Dieter Feltes, Herbert Jörger, Birgit Denker, Hendrik Leuker, Rudolf Renkwitz, Michael Lindner und Dietmar Wolf (alle aus Deutschland) sowie von Dmitrij Kutusow (aus Russland).
Das Internetformular nutzte Till Hildebrandt aus der Schweiz.
Ihnen allen herzlichen Dank für die Zuschriften und für die bereits ausgesprochenen Wünsche zu Weihnachten und Neujahr.
Unsere Poststelle bleibt vom 24. Dezember bis einschließlich in der zweiten Januar-Woche geschlossen, daher gibt es den übernächsten Funkbriefkasten erst am 19. Januar 2014 wieder. Doch bis dahin freue ich mich, Sie auch in der Hörerpostsendung vom 22. Dezember 2013 begrüßen zu dürfen.
Audiobeitrag hören: