Geschlossene oder marode Eisenbahnstrecken, Züge, die im Schneckentempo fahren, Modernisierungsarbeiten, die Jahrzehnte dauern und – obendrein – Manager und Politiker, die die Verantwortung von sich weisen: so sieht der rumänische Eisenbahnsektor aus.
Der Schienenverkehr in Rumänien hat eine Geschichte von mehr als 150 Jahren. Auf dem heutigen Territorium des Landes wurde die erste Strecke am 20. August 1854 in Banat, damals Teil des österreichisch-ungarischen Reiches, eröffnet. Diese stellte die Verbindung zwischen Oraviţa und Baziaş, einem Hafen an der Donau, her. Mit einer Länge von 62,5 km wurde die Strecke ursprünglich nur für den Transport von Kohle genutzt. Die Strecke zwischen Oraviţa und Baziaş wurde nach zwei Jahren, am 1. November 1856, nach Angaben der Internetseite cfr.ro, für den Personenverkehr geöffnet. Die Quelle erinnert daran, dass zwischen 1864 und 1880 verschiedene Eisenbahnlinien auf dem Territorium der Vereinigten Fürstentümer gebaut wurden. Die Linie, die die Hauptstadt Bukarest mit dem Donauhafen Giurgiu verbindet, wurde am 26. August 1869 für den Verkehr freigegeben. Sie war die erste Linie, die auf dem damaligen rumänischen Gebiet gebaut wurde.
Im Einklang mit den europäischen Trends kam es zu einer raschen Entwicklung der rumänischen Eisenbahn. Nachdem die historischen Provinzen Siebenbürgen, Banat, Bessarabien und Bukowina sich 1918 mit dem Königreich Rumänien vereinigt hatten, gelangten alle ehemals Österreich-Ungarn und Russland gehörenden Linien in den Besitz der Rumänischen Eisenbahn.
Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts haben die kommunistischen Behörden massiv in die Eisenbahn investiert, um die schnellstmögliche Industrialisierung des Landes zu unterstützen. Neben dem zunehmenden Schienenverkehr und dem Bau neuer Strecken, insbesondere in ländlichen Gebieten, haben die Elektrifizierung und die Verdoppelung der Strecken einen wichtigen Platz eingenommen.
1989 hatte Rumänien eines der größten, dichtesten und am meisten genutzten Eisenbahnnetze in Europa. Im Kontext der wirtschaftlichen Liberalisierung wurde die Bahngesellschaft CFR in mehrere Unternehmen aufgeteilt. Die wichtigsten dieser sind CFR SA, auch CFR Infrastruktur genannt, die die Schienen verwaltet, die nationalen Eisenbahngesellschaften CFR Călători – Personenverkehr und CFR Marfă – die Gütersparte.
Es folgte aber eine lange Zeit, in der die Infrastruktur vernachlässigt wurde. Viele Strecken wurden vollständig geschlossen, und auf Tausenden Kilometern gelten Geschwindigkeitsbeschränkungen aufgrund von ungünstigen Bedingungen. Lucian Bode, Abgeordneter der Nationalliberalen Partei (PNL) und Vorsitzender des Transport-Ausschusses der Abgeordnetenkammer, beschreibt die jetzige Lage:
„Leider bricht der Eisenbahnsektor in Rumänien fast zusammen. Die Situation ist sehr kompliziert, die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei 18 Stundenkilometern bei Güterzügen und bei 45 Stundenkilometern bei Personenzügen. Täglich wurden in den ersten neun Monaten von 2017 12.500 Minuten Verspätung verzeichnet. Güterzüge brauchen sieben Tage von Constanţa am Schwarzen Meer bis nach Curtici, an der Grenze zu Ungarn. Zu Zeiten des Königs Karl II., in den 1930er Jahren, waren es noch vier Tage. Rumänien verzeichnet große wirtschaftliche Verluste. Wir haben materielle Verluste für die Gütersparte der Bahngesellschaft und für private Betreiber. Leider sterben auch Menschen, insbesondere bei Eisenbahnkreuzungen. 2017 wurden lediglich 71 von 5.080 Eisenbahnkreuzungen modernisiert.“
Die Infrastrukturprobleme waren einer der Gründe, warum die Eisenbahnergewerkschaften in letzter Zeit massiv protestiert haben. Radmilo Felix, Generalsekretär des Dachverbandes der Lokführer dazu:
„Wir versuchen seit vielen Jahren, auf die Notwendigkeit aufmerksam zu machen, die Gesetzgebung zu ändern und ernsthafte Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen. Die Dinge müssen sich langsam, aber sicher in Richtung Modernisierung und höhere Geschwindigkeiten entwickeln. Bis vor fünf Jahren gab es kein Geld vom Staatshaushalt, um in Infrastruktur zu investieren. Seit rund fünf Jahren hat die rumänische Regierung erkannt, dass sie weiterhin in Infrastruktur für Reparatur und Wartung investieren muss. Sie stellt rund eine Milliarde Lei pro Jahr (rund 215 Millionen Euro) zur Verfügung. Die Bahnstrecke in Richtung Schwarzes Meer, Bukarest – Constanţa, wurde modernisiert und man kann mit 120 Stundenkilometern fahren, aber diese Arbeiten dauerten etwa zehn Jahre.“
Marius Sorin Bota, stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Abgeordnetenkammer, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei (PSD) aus der Regierungskoalition, verspricht, dass diese Situation sich ändern werde:
„Alle in Rumänien, natürliche Personen oder Unternehmen, beschweren sich über die langsame und manchmal schlechte Arbeit. Im Schienenverkehr ist es notwendig, ein anderes Tempo der Modernisierung einzuleiten. Es kann nicht sein, dass man zehn Jahre lang fast nichts tut oder dass etwas nicht in Betrieb genommen wird. Im Mai wird die Regierung ein neues Gesetz für das öffentliche Beschaffungswesen veröffentlichen, um die Verfahren zu vereinfachen. Ich hoffe, das hilft.“
Offenbar gibt es Lösungen und Mittel, um die Eisenbahninfrastruktur in Rumänien zu beleben, wie Lucian Bode, PNL-Abgeordneter und Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Abgeordnetenkammer, sagt:
„Wir verfügen über europäische Gelder. Wir haben Ressourcen! Das Unternehmen CFR Infrastruktur hat ein Budget von 1,1 Milliarden Euro für 2018. Bei der Haushaltsanpassung im vergangenen Jahr hat das Unternehmen etwa 70 Millionen verloren, sie haben also Geld. Wir haben europäisches Geld! Mehr als 6 Milliarden Euro für die gesamte Infrastruktur. Wir haben 1,2 Milliarden Euro für den Mechanismus Connect Europe Facility. Und Sie modernisieren in 12 Jahren nur 400 Kilometer... In Kenia haben sie 400 Kilometer in nur drei Jahren modernisiert. Solange bei einer Ausschreibung immer nur der niedrigste Preisanbieter gewinnt, ist dieses Verfahren von Anfang an wegen der Qualität der Arbeiten zum Scheitern verurteilt. Ich denke nicht, dass nur der Preis zählt. Aber sobald diese Arbeiten im Netz abgeschlossen sind, sobald die 3.600 Kilometer des Hauptnetzes modernisiert sind und man mit 160 Stundenkilometern fahren kann, wird man von einer großen Errungenschaft sprechen können.“
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