Die digitale Patientenakte passt ins Spannungsfeld zwischen den Anforderungen modernen Systeme und den Gefahren für die Privatsphäre der Menschen.
Schon die Chipkarte, mit der Hausärzte, Apotheker und andere Gesundheitsdienstleister eigentlich nur prüfen sollten, ob jemand versichert ist oder nicht, stand massiv in der Kritik. Hier wurde aber mehr gerügt, dass man den Status auch anders verifizieren könnte, dass also nur lukrative IT-Verträge für den Aufbau, aber besonders für die Wartung und Instandhaltung des Systems an eine Klientel vergeben würden. Persönliche Daten sind auf der PIN-geschützten Karte mit Ausnahme der Blutgruppe nicht abgespeichert - und auch die nur auf Antrag des Karteninhabers. Heute sieht es so aus - die Karte macht Betrügereien aufgrund der Logdateien viel schwieriger, aber weil es sehr viele Ausfälle gibt, ist das Leben für die Hausärzte komplizierter geworden. Erst ab nächstem Jahr soll es wieder einen Wartungsservice von der Herstellerfirma geben, bisher wurden die Schäden nur von den IT-Leuten der Krankenkasse behoben.
Die digitale Krankenakte geht aber einen Schritt weiter. Die Idee dahinter ist, dass Ärzte Zugriff auf die gesamte Krankengeschichte des Patienten haben sollen. Beim ersten Vorsprechen bei einem Hausarzt wird die digitale Akte eingerichtet und dann schrittweise nach Bedarf ergänzt – einfließen sollen Ergebnisse von Untersuchungen, Blut- und Urinwerte, ärztliche Befunde usw. Das macht in gewisser Weise auch Sinn – besonders bei chronisch Kranken ist es wichtig, dass ein eventuell neuer Arzt die Entwicklung der Krankheiten chronologisch nachvollziehen kann.
Aber natürlich gibt es auch Akteure, die nicht ganz uneigennützig an den Daten und Informationen in der Krankenakte interessiert sind. Es müssen nicht unbedingt wie in den Agentenfilmen dunkle Mächte einer öffentlichen Person mit der Preisgabe vielleicht peinlicher Episoden drohen. Oder Gauner jemanden erpressen – obwohl man sich beide Situationen durchaus vorstellen kann, besonders wenn man sich vergegenwärtigt, wie anfällig digitale Systeme für Angriffe sich in letzter Zeit erwiesen haben.
Plausibel ist, dass beispielsweise Arbeitgeber oder Versicherer ein großes Interesse haben könnten, ihre Beschäftigten sozusagen auf Herz und Nieren genau zu kennen. In Rumänien ist es zwar für Arbeitnehmer verpfichtend, sich bei der Einstellung und auch während des Beschäfitgungsverhältnisses einer arbeitsmedizinischen Untersuchung zu unterziehen – wer sich weigert, kann in der Regel disziplinarrechtlich bestraft werden. Aber das sind reine Routineuntersuchungen, bei denen vielleicht der Blutdruck gemessen wird. Man ist nicht verpflichtet, dem Betriebsarzt alles mitzuteilen.
Die Befürchtung besteht, dass sich in Zukunft Arbeitgeber oder Versicherungsgesellschaften Zugang zu diesen Daten verschaffen und Menschen nicht einstellen, sie entlassen oder ihnen hohe Versicherungskosten aufzwingen, weil sie gesundheitlich vorbelastet sind. Das ist im Moment nicht möglich, wenn die Hemmschwelle aber sinkt, könnte irgendein Gesetzgeber in Zukunft diese Möglichkeit schaffen.
Das ist reine Theorie. Doch die Praxis in anderen Ländern zeigt, wie oft das System missbraucht wird. Zum Beispiel in Großbritannien – dort meldet ein Bericht von dem Verein Big Brother Watch, dass es zwischen 2011 und 2014 mindestens 7.255 Fälle von Missbrauch mit den Daten in den Krankenakten im britischen NHS gab – insgesamt also sechs am Tag. das reicht von dem unbefugten Zugriff aus Neugier oder im Auftrag von Familienmitgliedern oder eines eifersüchtigen Liebhabers bis hin zu der Veröffentlichung von Daten in sozialen Medien. Daten wurden an unbefugte Dritte weitergegeben oder auch gelöscht.
Das zeigt, wie brisant die Situation ist. In Rumänien hat sich am Dienstag auch der Ombudsman eingeschaltet – er hat gegen das betreffende Gesetz vor dem Verfassungsgericht geklagt, weil die Rechtsvorschriften zu den Zugangsbefugnissen zu diffus gehalten und deshalb zu weit auslegungsfähig sind. Jetzt ist die heiße Kastanie bei den Verfassungsrichtern gelandet.
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